Zeitungsartikel und Kritiken

Hier werden eine Auswahl von Zeitungsartikeln und - weiter unten -Kritiken aus der Zeit von Hedy Brügelmann zur Verfügung gestellt. Heutige Publikationen sind zu finden unter Literatur.

 

Zeitungsartikel

Ehrungen einer deutschen Künstlerin in Brasilien
Rheinische Musik- und Theaterzeitung, Nr. 50, 8. Jahrgang, 14.2.1907, original
1907_Rhein_Musik_Theaterzeitung.pdf
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Hedy Iracema Brügelmann
Rheinische Musik- und Theaterzeitung, Nr. 48, 9. Jahrgang, 28.11.1908, original
1908_Rhein_Musik_Theaterzeitung.pdf
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Sie alle folgen dem Stern ...
Frankfurter Sängerzeitung, 14. Dezember 1909 (privates Familienarchiv)
Frankfurter_Sängerzeitung_1909.pdf
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Stuttgarter Bühnenkünstlerinnen
Paul Wittko, in: Velhagen & Klasings Monatshefte, XXVI Jahrg. 1911/12, III. Bd.
1911_Paul_Wittko_original.pdf
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Direccao de Concertos para America do Sul
Arthur Nowakowski, ca. 1914 (privates Familienarchiv)
1914_Nowakowski_portugiesisch.pdf
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Konzertdirektion für Südamerika
Arthur Nowakowski, ca. 1914, deutsche Übersetzung von Fabio Shiro Monteiro
1914_Nowakowski_deutsch.pdf
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Sopran und Hofopernsängerin Hedy Iracema-Brügelmann
Interview mit Hedy Iracema-Brügelmann, Zeitungsartikel von Paul Wilhelm, Wien, 1916, Original (privates Familienarchiv)
1916_Neues_Wiener_Journal_original.pdf
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Sopran und Hofopernsängerin Hedy Iracema-Brügelmann
Interview mit Hedy Iracema-Brügelmann, Zeitungsartikel von Paul Wilhelm, Wien, 1916, abgetippt
1916_Neues_Wiener_Journal_getippt.pdf
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Hedy Iracema-Brügelmann †
Nachruf aus dem Schwäbischen Merkur vom 16. April 1941 (Württembergische Landesbibliothek)
1941_Nachruf_Schwäbischer_Merkur.pdf
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Hedy Iracema-Brügelmann †
Nachruf Schwäbischer Merkur, abgetippt
1941_Nachruf_Schwäbischer_Merkur_getippt
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Kritiken Kölner Periode (1900-1909)

(Bibliothek des Musikwissenschaftlichen Instituts der Universität Köln)

Rheinische Musik- und Theaterzeitung, Nr. 11, 5. Jahrgang, 16. April 1904

Theater- und Musikberichte

Köln

(Konzerte.) Das letzte Gürzenichkonzert in diesem Jahre unter Steinbachs Leitung brachte wieder die grosse Matthäus-Passion von Bach, wie schon im vorigen Jahre. Die Aufführung war auch diesmal wieder nach der Seite der Chor- und Orchesterleistung eine mustergiltige. (...) Weniger glücklich war dagegen diesmal die Wahl der Solisten ausgefallen. Frau Hedwig Brügelmanns Stimme entbehrt der Festigkeit, die flackernde Tongebung ist sehr störend, außerdem läßt die Aussprache viel zu wünschen übrig. (...)

 

Rheinische Musik- und Theaterzeitung, Nr. 29/30, 8. Jahrgang, 27.7.1907

Kunst und Künstler

Frau Hedy Iracema-Brügelmann, die bekanntlich momentan in Südamerika weilt, gab vor ihrem ersten Konzert in Rio de Janeiro der Presse eine audicao, über die bereits die Berichte vorliegen. Schmeichelhafteres wurde wohl selten über eine Kölner Künstlerin im Auslande geschrieben; der Erfolg ist umso erfreulicher, als er ein glänzendes Zeugnis ist für die künstlerischen Qualitäten der Sängerin und zugleich für die Schule der weit über die Grenzen Deutschlands geschätzten Gesangslehrerin Wally Schauseil.

 

Rheinische Musik- und Theaterzeitung, Nr. 50, 8. Jahrgang, 14.12.1907
Kunst und Künstler
Ehrungen einer deutschen Künstlerin in Brasilien.
Die Kölner Konzertsängerin Hedy Iracema-Brügelmann hat ihre Konzert-Tournée durch Süd-Amerika beendet. Gleich ihr erstes Auftreten vor dem verwöhnten Publikum in der Millionenstadt Rio de Janeiro und der dortigen sehr strengen Kritik war ein großartiger Triumph. Sowohl die brasilianischen wie die französischen Zeitungen der Hauptstadt, welche uns vorliegen, ergehen sich in enthusiastischen Lobeserhebungen über die reine, frische Stimme und deren tadellose Durchbildung in der strengen deutschen Schule, sie rühmen den Glanz, die Geschmeidigkeit und die berückende Süße, die seltene Ausgeglichenheit der Register, das wunderbare Piano der Kopftöne, die staunenswerte Atemtechnik, sowie den durchgeistigten, hochmusikalischen Vortrag. Dazu beherrsche sie mit gleicher Vollkommenheit die italienische, französische und brasilianische Sprache. Besonders hervorgehoben wird ihr vornehmer, über jede konventionelle Effekthascherei erhabene Gesangsstil. Sieben Mal trat die Künstlerin in den hauptstädtischen Konzertsälen auf, darunter in drei eigenen Konzerten, überschüttet mit frenetischen Beifallsbezeugungen. Ihre Konzerte werden einstimmig eine "musikalische Erhebung", eine "wahre Weihe" für das musikverständige Publikum genannt, der hinterlassene Eindruck sei ein unvergleichlicher, unvergeßlicher.

 

In ihrer Heimatprovinz Rio Grande do Sul und besonders in deren Hauptstadt Porto Alegre, wurde sie nach solchen Triumphen in der Metropole mit großer Spannung erwartet. Auch dort erntete sie außerordentliche Ehrungen. Ein Blumenregen empfing sie bei der Landung, zwei vom Präsidenten des Staats beorderte Militärkapellen ließen abwechselnd ihre Weisen erklingen und in einer begeisterten Rede feierte man sie vor der ganzen Bevölkerung als die große Künstlerin, welche den Namen Brasiliens in musikalischer Beziehung im Auslande zu Ehren brächte. Nach diesem Willkommen ging's im langen Zuge mit den Musikkapellen zum Hotel, welches Abends unter den Klängen einer Serenade in elektrischem und bengalischem Licht erstrahlte; Raketen knatterten und das Viva-rufende Volk ruhte nicht eher, als bis sich die Künstlerin auf dem Balkon zeigte. Das große Theater San Pedro war in wenigen Tagen ausverkauft. Bei ihrem Erscheinen auf der Bühne wurde sie unter endlosen Hochrufen mit Blumen und Serpentinen aus den Rängen und Galerien überschüttet, der Beifallsjubel steigerte sich von Nummer zu Nummer. Auf offener Bühne in einem wiederholten Blumenregen überreichte ihr eine Abordnung von Damen, an ihrer Spitze die Gemahlin des Staatspräsidenten Vorges de Medeiros, unter anderen Geschenken und inmitten von einigen 30 Blumengebinden einen kostbaren Diamantring. Ein zweites Konzert war dem deutschen Klub "Germania" gewidmet. Dort hatte die Künstlerin einst als Anfängerin ihre erste Anerkennung gefunden, und die dortige deutsche Presse spricht ihren freudigen Stolz darüber aus, wie herrlich sich alle ihre schon damals vielversprechenden künstlerischen Anlagen ihrer Voraussage gemäß entfaltet haben. Die Brasilianer haben ihre landsmännische Sängerin für ihre hervorragende Kunst mit der Verleihung des Namens ihres wertvollsten und volkstümlichsten nationalen Epos "Iracema" geehrt.

 

Rheinische Musik- und Theaterzeitung, Nr. 6, 9. Jahrgang, 8.2.1908
Mönchen-Gladbach
Das 4. Abonnements-Konzert der Cäcilia hatte seine kleine Vorgeschichte. (...) Eines vollen Erfolges hatte sich Frau Hedy Iracem-Brügelmann zu erfreuen, als feinsinnige Liedersängerin von ebensoviel Stimmschönheit, wie auserlesener Singkunst, die sich ebenso meisterhaft auf das Ausspinnen des Tones und die echte Cantilene versteht, wie auf den feinst differenzierenden Ausdruck und die Mannigfaltigkeit der Klangabschattierung. Sowohl drei Lieder mit Orchesterbegleitung von Ramrath, von denen die "Liebe kleine Melodie" auf den orchestralen Aufputz im Interesse ihrer schlichten Wesenheit verzichten sollte, während das Lied "Auf Flügeln" wohl in der Verknüpfung mit orchestralen Vorstellungen entstanden ist, wie Lieder von Wolf und Reger erschöpfte sie nach der geistigen wie klanglichen Seite vollkommen. (...)

 

Rheinische Musik- und Theaterzeitung, Nr. 39, 9. Jahrgang, 26.9.1908

Essen

Wie wir schon kurz berichteten, hat der unter Herrn Ludwig Riemanns Leitung stehende "Essener Männer-Gesang-Verein" eine Konzertreise nach Süddeutschland unternommen, deren künstlerisches Ergebnis alle Erwartungen übertraf. Leider waltete anfänglich kein günstiger Stern über den fahrenden Sängern. Die in der Absicht eines humoristischen Tones gehaltene Vorausbesprechung einer hiesigen Zeitung, in welcher gesagt war, die Essener Sänger würden den "dickköppigen Süddeutschen" höhere Kultur bringen, hatte böses Blut gemacht, zumal jene Auslassung in zahlreichen badischen Blättern im Tone entrüsteter Abwehr wiedergegeben wurde. Na, da gab's manches zu beschwichtigen, aber am Ende leugneten die wackeren Schwaben nicht, "dicke Köppe" zu haben, worin sie sich eins fühlten mit ihren norddeutschen Brüdern, und damit war nach vielen Reden der einigende Standpunkt gefunden. Der Ausgleich zwischen Nord und Süd wurde denn auch gebührend gefeiert, hoch gepriesen wurde das die Stammesunterschiede nivellierende deutsche Lied.

Die Reise gestaltete sich also durch diesen unvorhergesehenen Zwischenfall zu einer kleinen politischen Aktion; vielleicht auch äußerlich, was sich gewissermaßen dadurch zu erkennen gab, daß dem Konzert in Badens Hauptstadt der Erbgroßherzog Prinz Max von Baden — der Großherzog selber war zur Zeit nicht in der Residenz —, der badische Ministerpräsident und Minister des Inneren, der preußische Gesandte am badischen Hofe, der Karlsruher Oberbürgermeister und zahlreiche Exzellenzen beiwohnten, während gerade in Karlsruhe das der Bürgerschaft entstammende Publikum auffallend schwach vertreten war, ein Umstand, der vielleicht auch auf die gerade herrschende Ferienzeit zurückgeführt werden kann.

Als Ziel der Fahrt waren Mannheim, Karlsruhe und Baden-Baden vorgesehen, wohin ein schon in Essen gestellter Extrazug die Sänger nebst sehr zahlreichem Gefolge beförderte. Die Ereignisse im einzelnen hier zu schildern, ist wohl nicht der Ort, es mußte das der Lokalpresse überlassen bleiben, weshalb wir hier nur im allgemeinen berichten wollen. Und da können wir vorweg das summarische Urteil aussprechen: Es war etwas Außerordentliches, was an Chor- und Einzelvorträgen geleistet wurde. Die Chöre waren bis in das subtilste ausgemeißelt, das Stimmaterial ganz brillant und selbst die technisch außerordentlich schwierigen Chöre, wie z.B. "Die irischen Auswanderer" und zahlreiche andere, gelangen in bewunderungswürdigem Maße. Ausdruck, Phrasierung, Klangausgleichung, alles machte den Eindruck des Vollendeten.

Auch die ins Vordertreffen gestellten Solisten des Vereinschores machten ihre Sache vortrefflich, besondere Hervorhebung verdient hier der Baritonist Herr Köberich. Zur Erzielung eines möglichst abwechselungsreichen Programms waren außerdem zwei Konzertsolisten gewonnen, Herr Walther Schulze-Prisca und Frau Iracema-Brügelmann. Es ist erstaunlich, wie sehr in der kurzen Zeit, seitdem wir Herrn Prisca nicht mehr gehört haben, dieser Geiger sich vervollkommnet hat. Die fabelhaft schwere Konzertetüde Paganinis mit der Sauretschen Kadenz spielte er mit solcher Bravour, daß man einer staunenden Bewunderung anheimfiel. Frau Iracema-Brügelmann entfaltete ein überreiches Können. In allen Lagen ihres umfangreichen  Sopran-Organs klingt die Stimme wundervoll, auch im ff verliert sie nicht die sympathische Wärme. Technisch ausgereift, weiß die Sängerin durch ihre Charme zu entzücken, sie erschöpft ebenso den Gefühlsinhalt des Neckischen, wie des Lyrischen oder Heroischen vollkommen. So wurden ihre in Baden-Baden dargebrachte Schubertsche "Allmacht" ebenso wie das in Mannheim gesungene "Gretchen am Spinnrade" zu Erlebnissen, die man in der Erinnerung mit fortträgt — aber, wie wurden auch die beiden Künstler gefeiert! Wie uns Herr Graf Vitzthum, der Direktor das Bades Baden-Baden versicherte, ist es noch nicht erlebt, daß das dortige reservierte Publikum sich in solchem Grade zu Beifallsäußerungen hat hinreißen lassen, wie es hier geschah. Der gleichen Erfolge konnten sich die Konzertbeteiligten übrigens auch in Mannheim und Karlsruhe erfreuen. (...)

 

 

Rheinische Musik- und Theaterzeitung, Nr. 47, 9. Jahrgang, 21.11.1908
Das dritte Gürzenichkonzert

Mit großem Beifall, der keineswegs dem "Hiesigen", sondern wirklich seinem Werke galt, wurde die Sinfonie "Jugend" von Waldemar von Baußnern hier aufgenommen (...). Die zweite Novität des Abends fand ebenfalls eine sehr freundliche Aufnahme. Wer hätte es für möglich gehalten, daß ein Komponist, der nun schon im biblischen Alter steht, solche Töne haben werde! Max Bruch ist der Ewigjunge; seine der Kölner Konzertgesellschaft gewidmete und hier zur Uraufführung gebrachte Osterkantate ist zweifellos eine wertvolle Bereicherung der Chorliteratur und wird dank ihrer weisen Beschränkung im Aufwand an Mitteln sicherlich ihren Weg machen. Dadurch, daß die düstere Karfreitagsstimmung den Anfang macht, ergibt sich von selbst eine gewaltige Steigerung, die der Komponist auch technisch verstärkte, indem er erst den Männerchor, dann die Frauenstimmen allein in Aktion treten ließ, ehe die jubelnde Stimmung durchbricht mit dem machtvollen Einsatz der Solostimme "Christ ist erstanden", die dann vom ganzen Chor triumphierend aufgenommen wird. Bruchs wirkungsvoller Chorsatz zusammen mit einer liebenswürdigen Erfindung und einer geschickten, hier und da leise unterstrechenden Orchesterbehandlung sichert dem Werk allenthalben einen Erfolg.

 

Die Wiedergabe war voller Schwung, hätte aber in Einzelheiten vielleicht noch besser sein können; besonders ließ der erste Männerchor zu wünschen übrig. Brillant vertreten war die Solostimme durch die Kölner Sopranistin Hedy Iracema-Brügelmann, deren herrliches Organ in der höheren Mittellage und Höhe bis hinauf zum dreigestrichenen c einen sieghaften Glanz entfaltete. Die Künstlerin brachte vorher in der Ozeanarie aus dem Oberon einen Beweis dafür, daß sie nach ihrer schönen Stimmbildung durch Wally Schauseil nun in letzter Zeit auch das Geheimnis des dramatischen Ausdrucks bei Charlotte Huhn erlernt hat, wozu sie allerdings schon durch ihr kolossales Temperament neigte. Man müßte es freilich bedauern, wenn sie sich je der Bühne zuwendete und dadurch dem Konzertgesang verloren ginge; denn solche feine Schulung und ein so lebendiger Vortrag, das ist es gerade, was wir für die Interpretation moderner Lyrik und für die Befreiung des Oratoriengesanges von falscher Objektivität dringend nötig haben. (...)

 

Rheinische Musik- und Theaterzeitung, Nr. 48, 9. Jahrgang, 28.11.1908
Hedy Iracema Brügelmann

Das Aufsehen, welches die Kölner Sopranistin Hedy Iracema-Brügelmann bei ihrem Auftreten im letzten Gürzenichkonzert durch die feine Schulung ihres schönen Organs und durch ihre Vortragskunst erregt hat, läßt es berechtigt erscheinen, daß wir heute unsere Leser in Kürze über ihre künstlerische Entwickelung orientieren. Hat doch kein geringerer als Dr. Neitzel in der Kölnischen Zeitung offen ausgesprochen, daß sie sowohl die Kunst des Schöngesanges wie den dramatischen Ausdruck beherrsche, daß die Stimme von abgeklärtem Klangreiz sei, daß Tonansatz, Tonausspinnung und Schattierungsfähigkeit keinen Wunsch offen lassen, kurz, daß es sich um eine ganz hervorragende Gesangskünstlerin handele.

 

Hedy Iracema Brügelmann ist in Porto Alegri im südlichen Brasilien geboren. Ihr Vater war der bekannte Politiker Haensel, der in einem der vielen Revolutionskämpfe des Landes den Tod fand. Nach dortiger Sitte in einem Kloster erzogen, mußte sie wegen ihrer schönen Stimme schon von ihrem siebenten Jahre an die Soli bei kirchlichen Festen singen, was ihr freilich einige Jahre später verboten wurde, weil sie dabei "ein allzuweltliches Temperament" entwickele. Mit 17 Jahren hörte sie bei einem Konzert im deutschen Klub zum erstenmale Lieder von Schubert, Schumann und Brahms, und seitdem war ihr einziger Wunsch, sich im Lande der Musik zur Gesangskünstlerin ausbilden zu können. Er ging in Erfüllung. Als blutjunge Frau kam sie im Jahre 1900 nach Köln und vier Wochen darauf war sie bereits Schülerin des Konservatoriums. Zunächst studierte sie drei Jahre bei Paul Haase, alsdann bei der bekannten Stimmbildnerin Wally Schauseil, der so viele namhafte Sopranistinnen die Schönheit ihrer Kopftöne verdanken. Im Jahre 1904 mußte sie plötzlich vertretungsweise die Sopransoli der Matthäuspassion im Gürzenich übernehmen, wobei sie einen glänzenden Beweis für ihre stimmliche Veranlagung und ihre ungewöhnliche Intelligenz gab. Aber nicht zufrieden mit der eigenen Leistung, auf die hin ihr kleine Erfolge in der Provinz sicher gewesen wären, verschwand sie wieder von der Öffentlichkeit, um weitere drei Jahre an ihrer gesangstechnischen Ausbildung zu arbeiten, ein in unserer Zeit, in der sich fortwährend halbgebildete Stimmen hören lassen, gewiß seltener Fall. 1907 hielt sie selbst sich endlich reif für die Öffentlichkeit. Ehe sie aber vor das deutsche Publikum trat, wollte sie gewissermaßen eine Feuerprobe in ihrer Heimat bestehen, wo durch den ungeheuren Reichtum und die künstlerischen Beziehungen zu Italien die Ansprüche an Gesangskünstler besonders groß sind. Sie unternahm vom Juni bis Dezember eine Tournee nach Brasilien, die von dem denkbar größten Erfolge begleitet war. Selbst die europäischen Zeitungen nahmen davon Notiz, und drüben wurden ihr wahrhaft fürstliche Ehrungen zuteil.

 

Rheinische Musik- und Theaterzeitung, Nr. 1,  X. Jahrgang, 2.1.1909
Das Konzert der "Vatra Luminoasa" im Gürzenich zum Besten von rheinischen Blinden nahm einen recht anregenden Verlauf, der um so höher zu werten ist, als die besonderen Umstände die Aufstellung eines Programms geboten, das fast ausschließlich die königliche Dichterin Carmen Sylva und ihren erfolgreichen Komponisten August Bungert zu Worte kommen ließ, die Gefahr einer ermüdenden Wirkung also sehr nahe lag. In Frau Hedy Iracema Brügelmann hatten Wort- und Tondichter natürlich eine ganz hervorragende Interpretin gefunden, die für ihre Lieder ebensoviel Charakterisierungskunst und Gefühlswärme wie Schwung und schönheitsvollen Klang aufbot. (...)

 

Rheinische Musik- und Theaterzeitung, Nr. 4, X. Jahrgang, 23.1.1909

Konzert
In einem vom "Männergesangverein" unter Ludw. Riemanns Leitung veranstalteten Konzert stellte sich die ausgezeichnete Kölner Sopranistin Hedy Iracema-Brügelmann mit glänzendem Erfolge vor. Mit ihren Liedern "Feldeinsamkeit", "Liebestreu", der "Schmied" berauschte sie förmlich das Publikum. (...)

 

Emmerich
Vor nunmehr 10 Jahren wurde eine Reorganisation des Städtischen Gesangvereins in die Wege geleitet, und mit Haydns Schöpfung ein vielversprechender Anfang gemacht. (...) Es lag nahe, im Haydn-Jahre zur Erinnerung an jene Reorganisation wiederum zur Schöpfung zu greifen, dem unsterblichen Meisterwerk unseres ersten großen Wiener Klassikers. Die Aufführung verlief überaus glücklich. Der Chor sang mit voller Hingebung und absoluter Sicherheit, scharfer Rhythmisierung und prächtigem Ausgleich der Stimmen. Neu für uns war die Sopranistin Hedy Iracema-Brügelmann, die ihre Koloraturen prächtig sang, bis zum dreigestrichenen C hinauf mühelos und strahlend, dabei mit feinausgearbeitetem Vortrag. (...)

 

Neuwied
Im dritten Abonnements-Konzert machten wir die Bekanntschaft von Frau Hedy Iracema Brügelmann, der in letzter Zeit so besonders viel genannten Kölner Sopranistin, die mit ihrem prächtigen Organ und ihrer verinnerlichten Vortragsweise sehr viel Beifall fand. Sie sang Lieder von Brahms, Wolf und Strauß. (...)

 

Rheinische Musik- und Theaterzeitung, Nr. 7,  X. Jahrgang, 13.2.1909
Bochum. Der Monat Januar brachte uns eine Hochflut musikalischer Genüsse. (...) Das dritte Konzert des Musikvereins gestaltete sich zu einem Mendelssohn-Abend. Während Frl. Elly Ney aus Köln als bekannte Beherrscherin des Klaviers in dem Konzert G-moll von Mendelssohn glänzte, lernten wir in der Sängerin Frau Iracema Brügelmann eine bedeutende Künstlerin ihres Faches kennen. Durch ihr anheimelndes Organ von auserlesenem Klangreiz, durch ihre ausgereifte Technik, durch ihr tiefes Eindringen in die Musik und Dichtung der vorgetragenen Lieder und Arien, riß die Sängerin zu gewaltigen Beifallskundgebungen hin. (...)

 

Rheinische Musik- und Theaterzeitung, Nr. 8, X. Jahrgang, 20.2.1909

Die bekannte Kölner Sopranistin Hedy Iracema Brügelmann ist von der Königin von Rumänien zur Kgl. Kammersängerin ernannt worden. Sie hat übrigens am 14. Februar als Elisabeth am Stuttgarter Hoftheater einen ganz außergewöhn-lichen Erfolg gehabt, der um so höher zu bewerten ist, als es sich um ihr erstes Auftreten auf der Bühne handelte.

 

Kritiken Stuttgarter Periode (1909-1917)

(Staatsarchiv Ludwigsburg, StAL E 18 VII Bü 93 und Bü 94; die Artikel aus der Rheinischen Musik- und Theaterzeitung sind aus dem Musikwissenschaftlichen Institut der Universität Köln)

 

Württemberger Zeitung, 8.3.1909

K. Hoftheater: Tannhäuser.

(Erst einige kritische Bemerkungen zur unzureichenden Stimme des Heldentenors Gustav Bergmann aus Berlin.)  ... Frau Iracema Brügelmann - wie verlautet, definitiv für unsere Bühne verpflichtet - sang die Elisabeth. Wohltuend berührte wieder die klare, geschmeidige und flüssige Stimme. Auf die Bühnenanfängerin läßt noch der unschöne Gang schließen, der schon bei der letzten Tannhäuser-Aufführung aufgefallen war. Einen dritten Gast konnten wir in der Vertreterin der Venus begrüßen. Hier half Dina van der Vyver von der Mannheimer Oper aus...

Reichspost, 8.3.1909

Kgl. Hoftheater: Tannhäuser.

Drei Gastspiele, darunter zwei auf Engagement abzielende, brachte auch diese Aufführung, so daß von einer Klärung unserer Opernverhältnisse vorerst nicht die Rede sein kann. Als Tannhäuser stellte sich Gustav Bergmann vor, ..... für einen ersten Heldentenor wird er kaum in Frage kommen können. Iracema Brügelmann/Köln setzte ihr Engagementsgastspiel als Elisabeth fort; weit mehr als bei ihrer Sieglinde kam diesmal die Klangschönheit ihres Organs zur Geltung, so daß wir von ihr eine wertvolle Bereicherung unseres Opern-ensembles erwarten dürfen. Mit Geschmack und guten Stimmitteln sang Dina van der Vijver...

Beobachter, 9.9.1909

Hoftheater. Die dritte Repertoireopernvorstellung in der neuen Saison ... war gestern der "Lohengrin". (...) Eigentlich große Stimmen haben wir - mit Ausnahme der Frau Senger-Bettaque und des Herrn Bolz - an unserer Oper überhaupt nicht. (...) Hedwig Iracema - wie die neue Schreibweise lautet - hat mich als Elsa zum großen Teil entzückt, wenn auch rein objektiv betrachtet ihre Elsa etwas zu reif ist. Diese weibliche Gestalt, die, wie auch andere ihrer Schwestern in dem Wagnerschen Dramen, bedenkliche Seiten und Schwächen zeigt, muß die reinste Jugend atmen, sonst werden die Eindrücke noch zwiespältiger. Darstellerisch befindet sich unsere Jugendlich-Dramatische - es sei daran erinnert, daß sie bisher Konzertsängerin war - in einem Übergangss-tadium. Ihre Individualität weist (?) sich noch nicht frei genug heraus, sie sucht die sichere Basis der Bühnentechnik. Aber sie wird sich wiederfinden und dann werden wir prächtige Leistungen haben. Rein gesanglich gefällt sie mir immer mehr (...)

Württemb. Zeitung, 28.9.1909

K. Hoftheater: Tannhäuser

(Alfred Goltz hat sich mit der Partie des Tannhäuser übernommen, war der Rolle nicht gewachsen stimmlich.) Wie schön, natürlich und einfach klang dagegen der Wolfram Weils und ebenso die Elisabeth Frau Iracema's! Auch die Venus und der Landgraf sind bekanntlich gegenwärtig gut besetzt. (...)

Neues Tageblatt, 9.9.1909

K. Hoftheater: Lohengrin.

(...) Auch Neues gab es in dieser Lohengrin-Aufführung wieder, als neuen Anreiz für die fleißigen Opernbesucher, denen dieses Werk vielleicht etwas zu oft auf dem Spielplan erscheint. Und das Neue war so geartet, daß auch dieser schwerer zu befriedigende Teil des Publikums auf seine Rechnung kam. Hedwig Iracema hat mit der erstmaligen Darstellung der Elsa wieder ihre hohe gesangliche Künstlerschaft erwiesen. Tonfärbung und Ausdruck waren voll Reinheit, Weichheit und Innerlichkeit. Was Gesangskunst bedeutet, konnte man an ihrem alles durchdringenden tragenden Piano erkennen....

 

Rheinische Musik- und Theaterzeitung, Nr. 22/23, X. Jahrgang, 29.5.1909

Die Kgl. Kammersängerin Hedy Iracema Brügelmann, die bekanntlich als Jugendlich-Dramatische an die Stuttgarter Hofoper engagiert ist, hat bereits in dieser Saison als Elisabeth, Sieglinde, Senta und Santuzza gastiert und bei Publikum und Presse dank ihrer Gesangeskunst und ihrer großen Spielbegabung außergewöhnlichen Erfolg gehabt.

 

Mercur, 30.9.1909

K. Hoftheater. Zwischen "Cavalleria Rusticana" und "Zierpuppen" kam gestern eine Reihe von Hofballettmeister Schaft arrangierter Tänze zur Aufführung. (...)  In der Mascagnischen Oper sang nicht, wie auf dem Zettel angekündigt, Herr Neudörffer, sondern Herr Weil den Fuhrmann Alfio. In der Partie der Santuzza zeichnete sich wiederum Frau Brügelmann nicht nur durch ihren trefflichen gesanglichen Vortrag, sondern auch durch ihr ergreifendes, auf Naturwahrheit beruhendes Spiel aus. Bei der Gelegenheit eine Bemerkung, die wohl viele Leser interessieren dürfte. Frau Brügelmann pflegt ihrem Namen die Bezeichnung "Iracema" vorzusetzen, über deren Bedeutung sich wohl der größere Teil des Publikums im Unklaren zu befinden scheint. Denn das Wort wird durchgängig entweder als einer ihrer Vornamen oder als der Name ihres Gatten aufgefaßt, wenigstens haben wir wiederholt von ihr als einer "Frau Iracema" reden gehört. Das Eine ist nun ebenso unrichtig wie das andere. Das Wort "Iracema" ist nämlich gar kein Name, sondern ein Ehrentitel, mit dem in Brasilien, dem Heimatlande der geschätzten Künstlerin, Sängerinnen von besonderer Beliebtheit ausgezeichnet werden. Er dürfte etwa dem italienischen "Diva" entsprechen oder auf die Auszeichnung hinauslaufen, die anderwärts ihren Ausdruck durch die Verleihung des Titels einer "Kammersängerin" erteilt wird. Etymologisch vermögen wir allerdings das Wort nicht zu erklären, doch hören wir, daß ihm von brasilianischen Philologen ein mythischer Ursprung zugeschrieben und es auf eine Überlieferung der indianischen Urbewohner Brasiliens zurückgeführt wird.

 

Rheinische Musik- und Theaterzeitung, Nr. 42, X. Jahrgang, 16.10.1909
Die Stuttgarter Hofopernsängerin Hedy Iracema-Brügelmann geht ihren Weg, wie wir es prophezeiten. Seit kaum einem Vierteljahr offiziell an der Bühne, hat sie bereits die Partien der Elisabeth, Elsa, Sieglinde, Senta, Santuzza und Gräfin im Figaro gesungen und wird in allernächster Zeit als Donna Anna und Evchen debütieren. Telegraphisch nach Karlsruhe berufen, gastierte sie dort jüngst als Santuzza in einer Weise, daß die Badische Presse schrieb, solch eine allseitig vollendete Leistung sei überhaupt seit Jahr und Tag in der badischen Residenz nicht mehr gehört und gesehen worden.

Württemb. Zeitung, 11.1.1910

Kgl. Hoftheater: Don Giovanni von Mozart

(Albin Swoboda als Don Juan - ... und so gab es noch andere Momente, wo der Sänger das dem Künstler gesetzte Maß überschritt...). Man konnte an Hedy Brügelmann merken, was feines Maßhalten heißt, gesanglich war der stilvolle Vortrag der Arie im 2. Akt entschieden das beste, was an dem Abend geboten wurde, hier spürte man Mozarts Geist. Anna Sutter sang wieder die Zerline...

 

Mercur, 3.2.1910

K. Hoftheater in Stuttgart: Der Barbier von Bagdad

Peter Cornelius' komische Oper "Der Barbier von Bagdad" wurde gestern in neuer Einstudierung und zum erstenmal mit Zugrundelegung der Originalpartitur wie bei der Corneliusfeier in Weimar im Jahr 1904 gegeben. Der musikalische Leiter der gestrigen Vorstellung, Generalmusikdirektor Schillings (...). Die Besetzung war bis auf die Partien der Margiana und des Kalifen die altgewohnte. Erstere wurde von Frau Brügelmann vortrefflich und letztere von Herrn Groß recht sympathisch wiedergegeben. (...)

 

Tageblatt, 7.3.1910

Stuttgarter Kgl. Hoftheater: Sizilianische Bauernehre. Pagliacci.

Gastspiel des Kammersängers Wilhelm Herold aus Kopenhagen (grosses Lob). Es wurde so recht mit innerster Teilnahme und Freudigkeit gesungen, gemimt und musiziert, und die gehobene Kunststimmung auf der Bühne und im Orchester pflanzte sich in den Zuschauerraum fort. Hedy Iracema-Brügelmann bot als Santuzza wieder die bekannte hochstehende künstlerische Leistung und führte die Partie in Anpassung an den Gast sogar doppelsprachig, deutsch und italienisch, durch. So sehr wir auch die Gewandtheit in der Überwindung der Übergangsschwierigkeiten aus einer in die andere Sprache bewundern, so können wir ein solches Verfahren, das den nun einmal schwer zu umgehenden Gastspielsprachenmischmasch noch komplizierter macht, nicht unbedingt billigen. Die Künstlerin nahm sich damit auch selbst etwas an darstellerischer Freiheit und Einheitlichkeit. (...)

 

Tagewacht, 30.3.1910

Hoftheater. Die 100. Aufführung des "Fliegenden Holländer" stand unter keinem glücklichen Stern. (Sänger krank, neuer Tenor...) (...) Die innerliche dramatische Kraft des Werkes zwang trotz allem wieder das Publikum in ihren Bann, zumal auch die Senta der Frau Iracema-Brügelmann hervorragend war. (...)

Tagwacht, 29.9.1910

Kgl. Hoftheater: Othello von Verdi

(...) Die Aufführung war brillant in der Besetzung der Hauptrollen. Bolz, prächtig bei Stimme... (...) Neu war Frau Iracema-Brügelmann als Desdemona. Ihr Äußeres, wobei diesmal wieder der Gang etwas störte, entspricht trotz der schönen Erscheinung an sich nicht ganz dem Bilde der süßen Dulderin. Aber gesungen hat diese hochzuschätzende Künstlerin wieder vorzüglich, die Schönheit und Reinheit der Stimme konnte selbst eine kleine Indisposition, die sich vereinzelt in der mittleren Lage bemerkbar machte, nicht beeinträchtigen.

 

Tageblatt, 29.9.1910

Stuttgarter K. Hoftheater: Othello von Verdi

Verdis nervige, dramatische, sprühende Oper steht hier in besonderer Gunst. Mit Recht. Wir haben in Oskar Bolz einen Othello, der in der glutvollen gesanglichen Darstellung das Beste seines reichen stimmlichen Könnens geben kann ... (...) Wir haben aber auch in den Vertretern der anderen Hauptpartien, zu denen diesmal Hedy Iracema-Brügelmann als Desdemona neu hinzutrat, Künstler, die über die erforderliche Gesang- und Darstellungskunst zur stilgemäßen und höchst eindrucksvollen Wiedergabe des Werkes in vollem Maße verfügen. Die reine, zarte Liebe und die unschuldvolle Ahnungslosigkeit der Desdemona dem furchtbaren Schicksal gegenüber, das ihr droht, ihr Erschrecken und Bangen, als es sich enthüllt, das stellte Hedy Iracema-Brügelmann mit ergreifendem Ausdruck in Gesang und Spiel dar.

 

Zeitung unbekannt, 1.10.1910

K. Hoftheater: Othello von Verdi

Die erfüllte Sehnsucht nach einer italienischen Oper, die sich einem nach den Marterqualen einer "Izeyl" aufdringt, hat balsamisch gewirkt. Wie viel sprühende Lebenskraft, wilde, aber natürliche Leidenschaft, welche Wahrheit der Charaktere - seien sie recht oder schlecht - steckt in dieser Shakespearschen Textanlage, und welche Musik, deren unsere Modernen alle nicht mehr fähig sind, nämlich dieses göttlichen Zaubers einer einfach schönen Melodie! Und die Darstellung mit unseren bedeutendsten Kräften gab der Oper den Stempel des Vollendeten. Neubesetzt war die Rolle der Desdemona durch Iracema-Brügelmann. Die Auffassung der Rolle, an die sie mit Ernst und einer ihr von Natur zukommenden besonderen Akkomodationsfähigkeit herangetreten ist, ihr ganzes seelisches Erfassen dieser kindlich-naiven, treuergebenen, liebevollen Gattin, ahnungslos den todbringenden Schicksalsmächten und rettungslos preisgegeben, mit einer rührenden Resignation in Stimme und Ausdruck, war ein Beweis von künstlerischer, stilistischer Reife. (Lob auch für die anderen.) Solche Aufführungen bleiben der Stolz des Hoftheaters. Der Dank des Publikums war ein anhaltender und voll Ausdruck der Dankbarkeit.

 

Beobachter, 20.10.1910

K. Hoftheater. Elektra. (...) Sofie Cordes, die Trägerin der Titelrolle, ... Gesanglich war sie den ungewöhnlichen Anforderungen ihrer Rolle in jeder Beziehung gewachsen. Nicht minder vorzüglich war Frau Iracema Brügelmann in der Rolle der Chrysotemis - der einzigen von den Hauptpersonen übrigens, die einige menschlich ansprechende Züge trägt. Frau Brügelmann ist für diese Rolle durch ihre herrliche Stimme und ihr edles Spiel ganz besonders befähigt.  (...) Das Publikum dankte den Künstlern mit enthusiastischem Beifall und rief die Hauptdarsteller immer wieder vor die Rampe. G.

 

Rheinische Musik- und Theaterzeitung, Nr. 13, XII. Jahrgang, 1.4.1911
Im letzten Wiesbadener Sinfoniekonzert des Kgl. Theaterorchester wurde die Stuttgarter Kammersängerin Hedy Iracema-Brügelmann Gegenstand besonderer Ovationen; in Mendelssohns Loreley-Finale wie in Beethovens Neunter feierte ihre vollendete Gesangskunst beim Publikum einen großen Triumph, den ihr die gesamte Presse in überschwänglicher Weise bestätigte.

 

Rheinische Musik- und Theaterzeitung, Nr. 38/39, XIII. Jahrgang, 28.9.1912
Die neue Stuttgarter Kgl. Kammersängerin Hedy Iracema Brügelmann hat jüngst die Tosca kreiert, und zwar in einer Weise, daß das Stuttgarter neue Tagblatt folgendes schrieb: Die Tosca von Hedy Iracema Brügelmann allein versöhnt uns mit der dramatischen, textlich so blutrot übermalten und musikalisch so durchsichtig gebliebenen Schwäche des Werkes. Die Tosca von Hedy Iracema Brügelmann allein macht die Aufführung des Werkes hier zu einer Hörens- und Sehenswürdigkeit ersten Ranges, deren starken künstlerischen Eindruck sich kein Opern- und Theaterfreund entgehen lassen sollte und der auch alle sonst berechtigten Bedenken gegen die Art des Werkes in diesem Falle zurückdrängen muß.

 

Merkur, 28.9.1912

Königliche Hoftheater in Stuttgart.

Strauß-Festwoche. II.

Ariadne auf Naxos

R.J.H. Bei der dritten Aufführung (Sonntag), die wieder ganz das Gepräge eines internationalen Festabends hatte, waren zwei der ersten Kräfte unserer Hofbühne berufen, in den Hauptrollen der Oper ihre schöne Kunst in den Dienst des Strauß'schen Werks zu stellen. Hedy Brügelmann sang und spielte gestern abend die Ariadne, Karl Erb den Bacchus. Es waren glänzende Leistungen, die den Beweis erbrachten, daß wir auch die Uraufführung mit eigenen Kräften hätten bestreiten können. Hedy Brügelmann brachte für die Ariadne den ganzen weichen und vollen Wohllaut ihrer schönen Stimme mit, und sie wußte mit ihr den Stimmungen trostlosen Liebesleides, wie in großer Steigerung den Wonneschauern eines neu aufgehenden Lebens großartigen Ausdruck zu verleihen. Sie verstand es, in den Stimmungsausdruck ihrer Ariadne noch mehr Herztöne hineinzubringen. Man könnte vielleicht sagen, und damit würde wohl auch ihre Nüancierung des Spiels bezeichnet werden können: War die Ariadne des Wiener Gastes mehr klassizistisch, so trug die Gestalt, wie sie Hedy Brügelmann bot, einen romantischen Zug. Und auch das hat seine volle innere Berechtigung, da doch auch eine gewisse Verwandtschaft zwischen Mythologie und Romantik besteht. Lassen wir ihre große Leistung als Ganzes nachhallen in unserem Gemüte, so müssen wir sagen: sie hätte auch die Uraufführung zu Ehren gebracht. Wir hätten ihr die Ehre, die Ariadne zu kreieren, herzlich gegönnt. Es wird ihr selbst und vielen der Zuhörer eine Genugtuung gewesen sein, wie der Meister selbst, Rich. Strauß, der diesmal wieder selbst dirigierte, unter dem Beifall, den er wieder für sein Werk fand, Hedy Brügelmann und Karl Erb an der Hand führte, ein Zeichen, daß auch er seine Gestalten, wie er sie schuf, in dieser Wiedergabe wieder erkannte. (...)

 

 

Rheinische Musik- und Theaterzeitung, Nr. 44, XIII. Jahrgang Nr.44, 2.11.1912
Nachklänge der Stuttgarter Strauß-Premiere
(...) Das Ideal wird eben sinnliche Schönheit verbunden mit seelischer Ausdruckskraft sein, und gerade ein so feinnerviger Künstler wie Strauß muß an diesem Ideal festhalten. Daher begreift man es, daß nicht nur er, sondern mit ihm die gesamte Stuttgarter Presse und Künstlerschaft, welche Gelegenheit hatte, die verschiedenen Besetzungen zu vergleichen, die Darstellung der Ariadne durch Frau Iracema Brügelmann unendlich viel höher einschätzte, als die der früheren Operettensängerin Fräulein Jeritza - Wien, welche Reinhardt entdeckt und der Festspielleitung aufoktroyiert hatte. (...)

Das kleine Stuttgarter Haus, welches ich bei dieser Gelegenheit zum ersten Male sah, ist wirklich entzückend geraten. (...) Immerhin sah ich im großen Hause noch Aufführungen der "Feuersnot" und "Salome", die ebenso wie der "Rosenkavalier" ganz mit einheimischen Kräften besetzt werden konnten, während für die "Elektra" verschiedene Münchener Gäste hinzugezogen wurden. Die Partie der Chrysothemis führt übrigens auch hier die kgl. Stuttgarter Kammersängerin Iracema Brügelmann durch, die dortige Ariadne, Diemut und Marschallin bei der Straußwoche, eine Künstlerin, welche wir von ihrem früheren Auftreten in den rheinischen Konzertsälen in sehr guter Erinnerung haben, und welche erfreulicherweise auch auf der Bühne bei aller Verinnerlichung des Spiels nicht verlernt hat, schön zu singen. (...)

 

 

Staatsanzeiger, 5.7.1917 (Abschiedsvorstellung in Stuttgart)
K. Hoftheater.
Am Sonntag verabschiedete sich Frau Hedy Iracema Brügelmann von der Stätte ihrer künstlerischen Betätigung in beinahe 9 Jahren, in der Rolle der "Aïda" in Verdis durch ihre Mitwirkung hier besonders hochgeschätzten Oper.

 

Es war ein Abschied, bedeutsam für die Zusammensetzung des Kunstkörpers, in welchem die Sängerin durch ihre künstlerische Tüchtigkeit und durch ihre persönlichen Vorzüge eine hervorragende Stellung einnahm und einen gewissen geistigen Mittelpunkt bildete, und nicht weniger vielbesagend für die Freunde der Hofoper, denen deren Glanz und künstlerische Vollwertigkeit durch den Namen der hier zur gereiften Größe emporgestiegenen Sängerin in besonderen Maß verbürgt sein konnte.

Das Haus war lange vor Beginn der Aufführung ausverkauft. In der Wahl, welche die Sängerin mit der Rolle der leidgeprüften, vornehm empfindenden Äthiopierin für ihr letztes Auftreten getroffen, lieferte sie nochmals den Beweis ihres edlen Bemühens um die echte Kunst der verinnerlichten Ausgestaltung, des einheitlichen Schaffens scharf umrissener kraftvoller Persönlichkeiten; und die Erinnerung an die oft bewunderte Vornehmheit ihres Empfindens, an die sichere Fähigkeit, das innere Werden der dargestellten in der dramatischen Färbung des Tons und in der Mimik überzeugend zum Ausdruck zu bringen, wurde nochmals neu eingeprägt im Gedächtnis der Verehrer ihrer Kunst.

Die Vorliebe für das lyrische Getragene, wie sie die Sängerin von dem Auftreten im Konzertsaal auf die Bühne mitbrachte und während ihres ganzen Hierseins sich bewahrte, war in Szenen wie dem Gebet und der Begegnung mit Radames nochmals als ein wertvoller Zug zu bewundern. Tüchtige gesangliche Ausrüstung und seine Vergeistigung im Spiel verbinden sich stets in ihren Vorträgen. Und wenn es der Gesangskunst noch in den Mozart- und Wagnergestalten leicht wird, der beseelten Tonsprache der großen Klassiker sich anzupassen, war es an Frau Brügelmann ein besonderer Vorzug, daß sie auch bei Verdi's Weisen, selbst wo sie in Äußerlichkeiten sich verflachen, durch lebensvolle Wärme Beseelung zu geben versteht.

In dieser Gabe des verinnerlichenden Anfassens aller Aufgaben lag die besondere Eigenart der scheidenden Künstlerin, welche sie zur Mitwirkung für die vieldeutigen Frauengestalten von Rich. Strauß, der Ariadne und der Marschallin im Rosenkavalier, oder von Schillings Mona Lisa nicht weniger tüchtig machte, wie für eine leichte Bewältigung einfacher Gestalten in neuen Opern, bei denen Stuttgarts Bühne in der Scheidenden eine stets willige und geschickte Vertreterin neu zu prägender Gestalten bei Uraufführungen besaß.

Die reiche gesangliche Begabung, der weiche Klang der Stimme, die im Getragenen leicht anspricht und an dramatischen Stellen zu leidenschaftlicher Kraft sich zu erheben vermag, die sichere Vereinigung in der Beherrschung des Schauspielerischen und des Musikalischen haben neben dem genannten Hauptstück ihrer Art Frau Brügelmann auf die Höhe künstlerischer Abgeschlossenheit geführt, die den Weggang der Sängerin als einen Verlust empfinden läßt. Der letzte Abend gab ihr in stürmischen Beifallskundgebungen nach jedem Akte den Erweis, wie hoch ihre Kunst hier geschätzt war. Blumenspenden, die den Bühnenraum zum Rosengarten umwandelten, und ein begeistertes Abschiednehmen am Schluß des Abends dankte ihr für die Genüsse, welche ihre Kunst uns so oft bereitete.

 

Kritiken Wiener Periode (1917-1919)

(Österreichisches Staatsarchiv Wien: Haus-, Hof- und Staatsarchiv)

Extrablatt, 14.10.1916

Hofoper. Frau Hedy Iracema-Brügelmann vom Stuttgarter Theater hat gestern in Meyerbeers verwüstlichen "Hugenotten" ihr Gastspiel als Valentine begonnen. Die jugendliche Erscheinung der Künstlerin gewann ihr sofort die Sympathien der Zuschauer, nicht sogleich der Zuhörer. Doch trat auch bei letzteren im Verlaufe des Abends ein Umschwung zu Gunsten des Gastes ein. Die Stimme der Künstlerin, ein großer, umfangreicher Sopran, reicht mühelos bis zur dreigestrichenen Oktave, allein die Höhe klingt manchmal ein wenig fadig, woduch ihr Glanz beeinträchtigt erscheint. Aehnlich ergeht es mit dem Mittelregister, das bisweilen an kehligem Ansatz leidet. Die Darstellung genügt, ohne gerade durch Temperament zu überwältigen. Im ganzen eine wenn auch respektable, so doch zwiespältige Leistung, die ein abschließendes Urteil über den Gast vorerst noch nicht gestattet. Am Hofe der Margarete von Valois ging es übrigens gestern nicht sehr würdig her, die Königin (Frau Elizza) und ihr Page (Frau Kiurina) ausgenommen. Sie beide wahrten allein noch den Stil, überboten förmlich einander an Virtuosität in Koloratur und Triller und fanden wiederholt verdienten Beifall auf offener Szene. Coligny und Médicis legten zwar ihren Haß ab, konnten sich aber den ganzen Abend lang über die Intonation nicht einigen. Herr Zee sang und sank. Sein Marcell entbehrt jeder Spur von Persönlichkeit, sein Baß macht trotz der Jugend des Sängers merkliche Rückschritte. Herr Fischer wäre kein übler Nevers, klänge nur die Stimme weniger spröde. Ein markloser St. Bris und der gestern auffallend farblose Raoul des Herrn Miller ergänzten die matte Darstellung.

p.st.

 

Fremdenblatt, 14.10.1916

Theater und Kunst

(Hofoperntheater.) Die schöne Frau Hedy Iracema-Brügelmann aus Stuttgart als Gast in der Hofoper! Der Stern des Ensembles im Schwabenlande als Engagementswerberin an der Donau! Valentine! Kein geringes Wagnis! Frau Iracema, wie ich höre, eine gebürtige Brasilianerin, hat eine deutsche künstlerische Erziehung gehabt. Ihr warmblütiges Temperament deutet aber noch auf subäquatoriale Heimat. So konnte sie in dem verhältnismäßig kleinen Raume des Stuttgarter Hoftheaters eine gefeierte Gesangsheroine werden und hat durch die Kreation der Mona Lisa im Vorjahre die Blicke der deutschen Musikwelt wohlgefällig auf sich gelenkt. Dieser Erfolg mag sie bestärkt haben, es auf der Wiener Bühne zu versuchen. Aber unsere Hofoper ist mehr als doppelt so geräumig als wie die Stätte, an der Frau Brügelmanns Ruhm erblühte. Ihre klare Mittellage drang nicht durch, ihre obere Höhenlage klang etwas lokomotivartig. Die Darstellung zeugte von verständigem Erfassen der Rolle, erschien aber durch eine begreifliche Befangenheit noch etwas unfrei. Wir wollen übrigens das zweite Debüt der schönen, hochgewachsenen Blume Brasiliens als Donna Anna abwarten, ehe wir unser endgültiges Urteil formulieren. Was wir in den "Hugenotten" hörten, war einstweilen bloß Skizze. Ein Teil des Publikums bedachte Frau Iracema-Brügelmann übrigens mit freundlichem Beifall, und in der Tat konnte sie sich im Rahmen dieser Besetzung recht wohl behaupten. Der Rataplanchor fiel aus. Weswegen, da ohnehin jetzt der ganze fünfte Akt einfach webgleibt? Sei's drum. Vielleicht bringen wir's noch fertig, daß zu den "Hugenotten" noch "Der Gaukler unserer lieben Frau" gegeben werden muß.

R.B.

Neues Wiener Tagblatt, 14.10.1916

Theater, Kunst und Literatur.

Hofoperntheater. Frau Brügelmann, die erste dramatische Sängerin der Stuttgarter Hofbühne, eröffnete gestern in Meyerbeers "Hugenotten" ein auf mehrere Abende berechnetes Gastspiel. Ihre Valentine stellte sie auch hier gleich auf den ersten Platz, und wenn sie diesen auch nicht vollständig ausfüllte, so hat sie ihn doch mit Ehren behauptet. Wir wollen es als ein günstiges Omen betrachten, daß die Künstlerin, als sie im dritten Akt zum großen Duett mit Marcel von der Kapelle herabstieg, die letzte Stufe verfehlte. Ihr Straucheln nahm ihr nur für einen Augenblick die Fassung und gab ihr dann um so festere Haltung. Kleine Intonationsschwankungen abgerechnet, die ihrer Befangenheit zuzuschreiben sind, sang sie ihren Part mit vollkommener Sicherheit. Sie entfaltete bedeutende Stimmmittel, und die Oekonomie ihres Gesanges will für dessen Dauer bürgen. Ihr das hohe C mit Leichtigkeit anschlagender und ohne Anstrengung aushaltender warmer Sopran stimmt mit ihrer Persönlichkeit überein und verrät individuelle Züge. Ein maßvolles, fast stilisiertes Spiel unterstützt ihren musikalischen Vortrag. So erweckte Frau Brügelmann den vorteilhaften Eindruck, daß sie nur der richtigen Führung bedürfe, um den letzten entscheidenden Schritt dorthin zu tun, wo es kein Straucheln mehr gibt.

M.K.

Die Zeit, 14.10.1916

mg Hofoper.

Frau Iracema-Brügelmann vom Stuttgarter Hoftheater hat gestern als Valentine in den "Hugenotten" mit Erfolg ein Gastspiel eröffnet. Man hat in dem Gast eine distinguierte Künstlerin kennengelernt. Erscheinung und Spiel haben etwas Vornehmes, Sympathisches, das Gesicht mit den weichen, runden Linien, der feinen Nase und dem schmollenden Mund darf man wohl schön nennen. Kultiviert, wie die ganze Erscheinung, ist der Gesang, der selbst im Forte und in den höchsten Lagen durch die gleichmäßige Bildung einer weichen Frauenstimme erfreut. Die stärksten durchschlagenden Wirkungen, auf die Meyerbeer allerdings rechnet, sind der Stimme, die eher lyrischen Reiz hat und auch durch ein feines Piano um Sympathien wirbt, versagt; wie allen Meistern der Theatermache, ist Meyerbeer die krasseste Wirkung gerade die beste, der Gesang soll flammen und zünden, während die Künstlerin die Valentine mit einem angenehmen, milden Licht umgibt. Im jetzigen "Hugenotten"-Ensemble überwiegt die anständige Mittelmäßigkeit, den Sängern der größten Rollen - Herr Zec als Marcell, Herr Haydter als Saint-Bris, Herr Fischer als Nevers - fehlen die pompösen Stimmen, und nichts ist ein einer Luxusoper langweiliger als die tüchtige Korrektheit von Sängern zweiten Ranges. Als Raoul trägt Herr Miller im Gesang reichlich dick auf, aber er ist in Meyerbeer-Opern wenigstens in seinem Element; die Koloraturarien der Königin singt Frau Elizza mit ihrer sicheren Technik, die schon altmeisterlich zu nennen ist; am willkommensten war uns wie dem Publikum die frische Singfreudigkeit der Frau Kiurina, deren Koloraturen an das fröhliche Tirilieren eines Waldvogels erinnern. Auch in mäßiger Aufführung haben die "Hugenotten" im dichtbesetzten Opernhaus gewohnte Wirkung gemacht, denn wie es ein Theater der großen Ideen und geistigen Werte gibt, so gibt es auch ein Theater, das nichts anderes sein will als handgreifliches Theater, und welcher große Musiker wäre hier mehr zu Hause als Meyerbeer?

 

Kritiken Karlsruher Periode (1919-1941)

(Badische Landesbibliothek, mikroverfilmte historische Zeitungen, und Opernarchiv Karlsruhe)

Karlsruher Zeitung, 5.12.1919

Etwas besser disponiert als bei ihrer Verkörperung der Senta in der jüngsten Aufführung des "Fliegenden Holländers", aber noch immer nicht völlig frei von ihrer Erkältung und deren Rückwirkungen, gab Hedy Iracema-Brügelmann am Donnerstag die Gräfin im "Figaro". Der Gesamteindruck, den man diesmal von ihr gewann, läßt sich für den Kundigen in drei Worte zusammenfassen: "eine ideale Mozartsängerin!" Wollte man hinzufügen: "von reifster Kultur" - der Begriff drängte sich bei der Beurteilung der Einzelheiten ihrer Darbietung immer wieder auf - so beginge man eine Tautologie; ist es doch gerade die Kultur, die das Kriterium des wahren Mozartgesanges ausmacht. Wenige Bühnensängerinnen besitzen ein Organ von gleichem Wohllaut und gleicher Schulung, eine Vereinigung von Vorzügen, die dem Ton zugleich Klarheit, Rundung, charakteristische Klangfärbung und innigste Beseelung verleiht, wenige die Kunst des stilvollen Vortrags, der vornehmen großen Linie, kaum eine die Sicherheit der Deklamation, die Deutlichkeit der Aussprache, wie sie dieser Künstlerin eigen ist. Daß hier und da in der Mittellage etwas wie eine ganz leise, mit großer Kunst verschleierte (oder vielleicht erst durch momentane katarrhalische Verschleierung bedinge Schärfe mit Anklang, braucht in Anbetracht des eingangs Gesagten wohl kaum Bedenken zu erregen. Immerhin dürfte es angebracht sein, daß sich die Sängerin vor jedem Mißbrauch ihres Organs in acht nimmt, namentlich aber vor jedem etwaigen Ausflug ins Hochdramatische, ein Fach, für das sie hier ja auch nicht in Aussicht genommen ist. Daß Frau Iracema-Brügelmann den Mozartstil auch in der Darstellung in außergewöhnlichem Maße beherrscht - es sei, um nur eine Einzelheit herauszugreifen, ihr außerordentlich lebendiges, anmutvolles und intelligentes Spiel während des Vortrags der Cherubin-Canzonette erwähnt - vervollständigte und vertiefte den künstlerischen Eindruck ihrer gestrigen Gesamtleistung. Weshalb übrigens der Theaterzettel die Künstlerin immer noch als "Gast" bezeichnet, nachdem sie doch bereits für unsere Bühne verpflichtet wurde, ist nicht recht klar.

E.R.

Karlsruher Zeitung, 16.12.1919

Landestheater

"Tiefland"

In der vorgestrigen Aufführung des d'Albertschen Musikdramas "Tiefland" gab Frau Iracema-Brügelmann die Maria. Sie scheint ihre Erkältung jetzt überwunden zu haben. Ihr Gesang war voller Wohllaut und Schmelz, von tiefstem und echtem Empfinden beseelt, auch in den dramatisch bewegten Momenten die hohe stimmliche Kultur und Reife der großen Künstlerin offenbarend. Ihr Spiel zeigte das gewohnte sichere Stilgefühl; von leidenschaftlichem inneren Miterleben getragen, unterstrich es das tragische Moment willenloser Verstrickung außerordentlich wirksam, ohne jedoch ins Sentimentale zu verfallen. Hervorragend schön in Tongebung (...) war der Pedro Herrn Schöffels. (...) Das Orchester spielte unter Kapellmeister Lorentz tonschön und ausdrucksvoll.

E.R.

 

Karlsruher Zeitung, 22.12.1919

Landestheater

"Aida"

In der gestrigen Aufführung der "Aida" verkörperte Frau Iracema-Brügelmann die Titelrolle. Sie überraschte darin vornehmlich durch die temperamentvolle, von starkem dramatischen Leben durchpulste darstellerische Lösung ihrer Aufgabe, bei der sie zwar merklich von der üblichen Auffassung abwich, zugleich aber wiederum ein außerordentlich starkes Empfinden für Stil und Linie bekundete. Ihr Gesang war, von einigen wenigen Stellen abgesehen, an denen sich die Nachwehen ihrer neulichen Erkältung bemerkbar machten, voller Wohllaut, Wärme und Reinheit. Herr Schwerdt (...)

Das Orchester spielte unter der Leitung Herrn Schweppes mit Wärme und Schwung. Über die szenische Aufmachung und die Regieführung will ich schweigen; es wären doch nur die alten Klagen zu wiederholen.
E.R.

Karlsruher Zeitung, 29.1.1920

Landestheater

"Ariadne auf Naxos"

Nach längerer Pause gab man im Landestheater wieder einmal Strauß' "Ariadne auf Naxos", diesen originell erdachten Versuch einer Verschmelzung zweier Stilarten, wie sie heterogener nicht gedacht werden können, eines Versuchs, der an sich wohl scheitern mußte, der aber dennoch eine Anzahl wundervollster musikalischer Gedanken zeitigte, einen Reichtum von Melodien, instrumentalen Klangreizen und aparten Harmonien, wie ihn kaum eine zweite zeitgenössische Oper aufweist. Immer wieder entwaffnen die Glut und die sinnliche Schönheit, der Schwung und die Ausdruckskraft dieser Musik die kritischen Bedenken, die sich gegen die unserm Stilempfinden zuwiderlaufende Art der Stellung und Lösung des Problems erheben. Um die Aufführung machte sich diesmal neben dem Dirigenten Cortolezis und dem glänzend disponierten Orchester, das mit prachtvoll satter Klanggebung und feinfühligster Präzision seiner Führung gehorchte, vor allem Frau Iracema-Brügelmann verdient, deren Ariadne, als Ganzes gewertet, wohl die beste war, die wir bisher an unserer Bühne zu hören bekamen, die außerordentlich eindrucksvolle Verkörperung der Rolle durch die Münchner Sängerin Frau Perard-Theyssen bei der letzten Aufführung mit eingerechnet. Was ihrem Spiele besonderen Wert verlieh, war die Innerlichkeit und Herzlichkeit des Ausdrucks, das Aufleuchten rein menschlich ergreifender Züge in ihrer im übrigen durchaus auf die Linie erhabener Würde eingestellten Darstellung. In musikalischer Hinsicht entzückte die Künstlerin auch diesmal durch die vollendete Schönheit und Ausdrucksfähigkeit ihres kostbaren Stimmaterials und ihrer vollendeten Gesangskultur. Die übrige Besetzung war größtenteils die von früher her gewohnte; es genügt somit die Feststellung daß sämtliche Mitwirkende ausnahmslos Vorzügliches leisteten, (...)
E.R.

Karlsruher Tagblatt, 11.2.1932

Richard-Wagner-Gedenkfeier

Wie im Anzeigenteil bereits bekanntgegeben, veranstaltet die rührige hiesige Ortsgruppe des Bayreuther Bundes der deutschen Jugend E.V., am nächsten Samstag, den 13. Februar, als dem Todestag Richard Wagners, im Festsaal der Badischen Hochschule für Musik eine Gedenkfeier. Es wird gewiß von vielen hiesigen Kunstfreunden mit Freude begrüßt werden, daß unsere hochgeschätzte Kammersängerin Hedy Iracema-Brügelmann nach längerer Zeit wieder zum erstenmal mit ihrer Kunst in die Oeffentlichkeit tritt und damit dem Abend eine besondere Note gibt. Sie wird einen Teil aus dem 1. Tristan-Akt und die Totenklage aus der "Götterdämmerung" zum Vortrag bringen. Die Brangäne-Partie wird die Konzertsängerin Hilde Paulus singen, während Kapellmeister Dr. Heinz Knöll die Begleitung am Flügel sowie die Rezitationen übernommen hat. Die Gedenkworte wird Herr Professor Dr. Arthur Drews sprechen. Eintrittskarten sind bei der Musikalienhandlung Fritz Müller zu mäßigem Preise erhältlich.

 

Karlsruher Tagblatt, 15.2.1932

Konzert-Umschau

(...) Sensationellen Charakter nahm die von der hiesigen Ortsgruppe des Bayreuther Bundes der deutschen Jugend veranstaltete Gedächtnisfeier für Richard Wagner an. Unsere frühere, so überaus beliebte Hochdramatische, Kammersängerin Hedy Iracema-Brügelmann, betrat nach langer Zeit und noch längerer Krankheit zum ersten Male wieder das Podium. Wie sehr dies Wiedererscheinen der mutigen, willensstarken, schwerem Geschick trotzenden Künstlerin in der Oeffentlichkeit als außergewöhnliches Ereignis angesehen und empfunden wurde, zeigte der bis auf den letzten Platz besetzte Konzertsaal der Badischen Hochschule für Musik. Der Nachfrage konnte, wie der 1. Vorsitzende des Bundes, Bankdirektor a.D. Chr. Lorenz, in seiner Begrüßungsansprache mitteilte, gar nicht Genüge getan werden. Triumphal wurde Hedy Iracema-Brügelmann empfangen. Klar, daß sie dieser Begrüßungssturm tief bewegte.

Aber man war nicht nur gekommen, den unvergessenen Liebling wieder zu sehen, sondern auch wieder zu hören. Und dabei gab es die eigentliche Ueberraschung, die eigentliche Sensation: Die prachtvolle Stimme klang schöner als je. Aber nicht deshalb, weil sie sich "ausgeruht" hatte, sondern weil unablässig an ihr weitergearbeitet worden war. Sie hat helleren, strahlenderen Glanz bekommen, in den Funktionen mehr Leichtigkeit und Weite, im Timbre mancher Lagen wieder Jugendlichkeit. Das freudige Erstaunen war allgemein. Wagner ohne Überpathetik zu hören, war unsagbar schöner Genuß. Wo hört man ihn heute noch so? Ohne Überdruck, ohne Gepuste, ohne wilde Zerstreuung des Atems, ganz auf Klarheit, Reinheit des Klangs gestellt? Wie ungezwungen, wie gut gebunden diese Aussprache und Deklamation Iracema-Brügelmanns! Und dennoch aller Ausdruck, alle Empfindungswellen in den reichen Wechsel der Klangfarben gegeben. Das Wort kann nirgends stärker wirken, als in solch edler Fassung.

Anders hat sich Wagner seinen Sprechgesang nicht gedacht. Er hatte ja sein musikalisches Gehör in einer Zeit geschult, der Tonverblasugen fremd waren. Seine Meistersänger waren die, die auch in einer italienischen Oper tadellos bestanden. Tichatschek, Niemann, Schnorr von Carolsfeld und wie sie alle heißen. Die gewaltsame Ueberverdeutlichung datiert erst von später. Nach Wagners Tod. Hedy Iracema-Brügelmann hat sich weit, weit von ihr entfernt. Zum Segen für ihre schöne Stimme, die sie heute noch auf der Bühne in allen Ehren bestehen ließe. Ganz abgesehen von dem eminenten Stilverständnis, dem großen Format ihrer musikalisch-künstlerischen Gestaltung, die alles verlebendigt. So manchem ist vorgestern abend ein Licht über den eigentlichen Wagnerstil aufgegangen. Andere fühlten sich an alte Zeiten erinnert, da unter Felix Mottl dieser Stil im Flore stand. Mögen die Jungen spöttisch lächeln, sie haben nie am Quell dieses Reichtums gesessen, haben keine Vergleichsmöglichkeiten.
Hedy Iracema-Brügelmann sang im Verein mit Hilde Paulus, die sich mit ihrem voluminösen Alt sehr geschickt anpaßte, die Isolde-Brangäne-Szene aus dem ersten "Tristan"-Akt und als Solo-Nummer die Schlußszene der Brünhilde aus der "Götterdämmerung", beide Stücke mit grandioser Steigerung. Die Zuhörerschaft war einfach überwältigt und rief die Künstlerin unzählige Male hervor, überschüttete sie mit Beifall und Blumen. Wir werden sie von nun an wohl des öfteren in den Konzertsälen begrüßen dürfen. Kapellmeister Dr. Heinz Knöll war in doppeltem Amte tätig als einfühlsamer Rezitator der Gesangstexte und als temperamentvoller Mitgestalter am Flügel. Aus Anlaß des 49. Todestages Richard Wagners (13. Februar 1883) hielt der ausgezeichnete Wagner-Kenner Professor Dr. Arthur Drews eine kurze Gedenkrede. in der er auf die  bekannten Beziehungen Wagners zu Karlsruhe hinwies, auf die Hoffnungen des Meisters, hier die Uraufführung seines "Tristans" zu erleben, die sich leider nicht erfüllten, daß ihm trotzdem in Karlsruhe, das später "Klein-Bayreuth" werden sollte, eine große, begeisterte Gemeinde erstand, von der heute noch eine Reihe der ersten Zugehörigen lebt. Auch den beiden männlichen Mitwirkenden am schönen Gelingen der Gedächtnisfeier wurde warmer Dank gezollt. (...)
A.R.