Kritiken Stuttgarter Periode (1909-1917)

Fundorte:
Staatsarchiv Ludwigsburg, StAL E 18 VII Bü 93 und Bü 94.
Musikwissenschaftliches Institut der Universität Köln (Artikel aus der Rheinischen Musik- und Theaterzeitung).
Österreichische Nationalbibliothek (ANNO: Historische österreichische Zeitungen und Zeitschriften).

 

Württemberger Zeitung, 8.3.1909

K. Hoftheater: Tannhäuser.

(Erst einige kritische Bemerkungen zur unzureichenden Stimme des Heldentenors Gustav Bergmann aus Berlin.)  ... Frau Iracema Brügelmann - wie verlautet, definitiv für unsere Bühne verpflichtet - sang die Elisabeth. Wohltuend berührte wieder die klare, geschmeidige und flüssige Stimme. Auf die Bühnenanfängerin läßt noch der unschöne Gang schließen, der schon bei der letzten Tannhäuser-Aufführung aufgefallen war. Einen dritten Gast konnten wir in der Vertreterin der Venus begrüßen. Hier half Dina van der Vyver von der Mannheimer Oper aus...

Reichspost, 8.3.1909

Kgl. Hoftheater: Tannhäuser.

Drei Gastspiele, darunter zwei auf Engagement abzielende, brachte auch diese Aufführung, so daß von einer Klärung unserer Opernverhältnisse vorerst nicht die Rede sein kann. Als Tannhäuser stellte sich Gustav Bergmann vor, ..... für einen ersten Heldentenor wird er kaum in Frage kommen können. Iracema Brügelmann/Köln setzte ihr Engagementsgastspiel als Elisabeth fort; weit mehr als bei ihrer Sieglinde kam diesmal die Klangschönheit ihres Organs zur Geltung, so daß wir von ihr eine wertvolle Bereicherung unseres Opern-ensembles erwarten dürfen. Mit Geschmack und guten Stimmitteln sang Dina van der Vijver...

Beobachter, 9.9.1909

Hoftheater. Die dritte Repertoireopernvorstellung in der neuen Saison ... war gestern der "Lohengrin". (...) Eigentlich große Stimmen haben wir - mit Ausnahme der Frau Senger-Bettaque und des Herrn Bolz - an unserer Oper überhaupt nicht. (...) Hedwig Iracema - wie die neue Schreibweise lautet - hat mich als Elsa zum großen Teil entzückt, wenn auch rein objektiv betrachtet ihre Elsa etwas zu reif ist. Diese weibliche Gestalt, die, wie auch andere ihrer Schwestern in dem Wagnerschen Dramen, bedenkliche Seiten und Schwächen zeigt, muß die reinste Jugend atmen, sonst werden die Eindrücke noch zwiespältiger. Darstellerisch befindet sich unsere Jugendlich-Dramatische - es sei daran erinnert, daß sie bisher Konzertsängerin war - in einem Übergangss-tadium. Ihre Individualität weist (?) sich noch nicht frei genug heraus, sie sucht die sichere Basis der Bühnentechnik. Aber sie wird sich wiederfinden und dann werden wir prächtige Leistungen haben. Rein gesanglich gefällt sie mir immer mehr (...)

Württemb. Zeitung, 28.9.1909

K. Hoftheater: Tannhäuser

(Alfred Goltz hat sich mit der Partie des Tannhäuser übernommen, war der Rolle nicht gewachsen stimmlich.) Wie schön, natürlich und einfach klang dagegen der Wolfram Weils und ebenso die Elisabeth Frau Iracema's! Auch die Venus und der Landgraf sind bekanntlich gegenwärtig gut besetzt. (...)

Neues Tageblatt, 9.9.1909

K. Hoftheater: Lohengrin.

(...) Auch Neues gab es in dieser Lohengrin-Aufführung wieder, als neuen Anreiz für die fleißigen Opernbesucher, denen dieses Werk vielleicht etwas zu oft auf dem Spielplan erscheint. Und das Neue war so geartet, daß auch dieser schwerer zu befriedigende Teil des Publikums auf seine Rechnung kam. Hedwig Iracema hat mit der erstmaligen Darstellung der Elsa wieder ihre hohe gesangliche Künstlerschaft erwiesen. Tonfärbung und Ausdruck waren voll Reinheit, Weichheit und Innerlichkeit. Was Gesangskunst bedeutet, konnte man an ihrem alles durchdringenden tragenden Piano erkennen....

 

Rheinische Musik- und Theaterzeitung, Nr. 22/23, X. Jahrgang, 29.5.1909

Die Kgl. Kammersängerin Hedy Iracema Brügelmann, die bekanntlich als Jugendlich-Dramatische an die Stuttgarter Hofoper engagiert ist, hat bereits in dieser Saison als Elisabeth, Sieglinde, Senta und Santuzza gastiert und bei Publikum und Presse dank ihrer Gesangeskunst und ihrer großen Spielbegabung außergewöhnlichen Erfolg gehabt.

 

Mercur, 30.9.1909

K. Hoftheater. Zwischen "Cavalleria Rusticana" und "Zierpuppen" kam gestern eine Reihe von Hofballettmeister Schaft arrangierter Tänze zur Aufführung. (...)  In der Mascagnischen Oper sang nicht, wie auf dem Zettel angekündigt, Herr Neudörffer, sondern Herr Weil den Fuhrmann Alfio. In der Partie der Santuzza zeichnete sich wiederum Frau Brügelmann nicht nur durch ihren trefflichen gesanglichen Vortrag, sondern auch durch ihr ergreifendes, auf Naturwahrheit beruhendes Spiel aus. Bei der Gelegenheit eine Bemerkung, die wohl viele Leser interessieren dürfte. Frau Brügelmann pflegt ihrem Namen die Bezeichnung "Iracema" vorzusetzen, über deren Bedeutung sich wohl der größere Teil des Publikums im Unklaren zu befinden scheint. Denn das Wort wird durchgängig entweder als einer ihrer Vornamen oder als der Name ihres Gatten aufgefaßt, wenigstens haben wir wiederholt von ihr als einer "Frau Iracema" reden gehört. Das Eine ist nun ebenso unrichtig wie das andere. Das Wort "Iracema" ist nämlich gar kein Name, sondern ein Ehrentitel, mit dem in Brasilien, dem Heimatlande der geschätzten Künstlerin, Sängerinnen von besonderer Beliebtheit ausgezeichnet werden. Er dürfte etwa dem italienischen "Diva" entsprechen oder auf die Auszeichnung hinauslaufen, die anderwärts ihren Ausdruck durch die Verleihung des Titels einer "Kammersängerin" erteilt wird. Etymologisch vermögen wir allerdings das Wort nicht zu erklären, doch hören wir, daß ihm von brasilianischen Philologen ein mythischer Ursprung zugeschrieben und es auf eine Überlieferung der indianischen Urbewohner Brasiliens zurückgeführt wird.

 

Rheinische Musik- und Theaterzeitung, Nr. 42, X. Jahrgang, 16.10.1909
Die Stuttgarter Hofopernsängerin Hedy Iracema-Brügelmann geht ihren Weg, wie wir es prophezeiten. Seit kaum einem Vierteljahr offiziell an der Bühne, hat sie bereits die Partien der Elisabeth, Elsa, Sieglinde, Senta, Santuzza und Gräfin im Figaro gesungen und wird in allernächster Zeit als Donna Anna und Evchen debütieren. Telegraphisch nach Karlsruhe berufen, gastierte sie dort jüngst als Santuzza in einer Weise, daß die Badische Presse schrieb, solch eine allseitig vollendete Leistung sei überhaupt seit Jahr und Tag in der badischen Residenz nicht mehr gehört und gesehen worden.

Württemb. Zeitung, 11.1.1910

Kgl. Hoftheater: Don Giovanni von Mozart

(Albin Swoboda als Don Juan - ... und so gab es noch andere Momente, wo der Sänger das dem Künstler gesetzte Maß überschritt...). Man konnte an Hedy Brügelmann merken, was feines Maßhalten heißt, gesanglich war der stilvolle Vortrag der Arie im 2. Akt entschieden das beste, was an dem Abend geboten wurde, hier spürte man Mozarts Geist. Anna Sutter sang wieder die Zerline...

 

Mercur, 3.2.1910

K. Hoftheater in Stuttgart: Der Barbier von Bagdad

Peter Cornelius' komische Oper "Der Barbier von Bagdad" wurde gestern in neuer Einstudierung und zum erstenmal mit Zugrundelegung der Originalpartitur wie bei der Corneliusfeier in Weimar im Jahr 1904 gegeben. Der musikalische Leiter der gestrigen Vorstellung, Generalmusikdirektor Schillings (...). Die Besetzung war bis auf die Partien der Margiana und des Kalifen die altgewohnte. Erstere wurde von Frau Brügelmann vortrefflich und letztere von Herrn Groß recht sympathisch wiedergegeben. (...)

 

Tageblatt, 7.3.1910

Stuttgarter Kgl. Hoftheater: Sizilianische Bauernehre. Pagliacci.

Gastspiel des Kammersängers Wilhelm Herold aus Kopenhagen (grosses Lob). Es wurde so recht mit innerster Teilnahme und Freudigkeit gesungen, gemimt und musiziert, und die gehobene Kunststimmung auf der Bühne und im Orchester pflanzte sich in den Zuschauerraum fort. Hedy Iracema-Brügelmann bot als Santuzza wieder die bekannte hochstehende künstlerische Leistung und führte die Partie in Anpassung an den Gast sogar doppelsprachig, deutsch und italienisch, durch. So sehr wir auch die Gewandtheit in der Überwindung der Übergangsschwierigkeiten aus einer in die andere Sprache bewundern, so können wir ein solches Verfahren, das den nun einmal schwer zu umgehenden Gastspielsprachenmischmasch noch komplizierter macht, nicht unbedingt billigen. Die Künstlerin nahm sich damit auch selbst etwas an darstellerischer Freiheit und Einheitlichkeit. (...)

 

Tagewacht, 30.3.1910

Hoftheater. Die 100. Aufführung des "Fliegenden Holländer" stand unter keinem glücklichen Stern. (Sänger krank, neuer Tenor...) (...) Die innerliche dramatische Kraft des Werkes zwang trotz allem wieder das Publikum in ihren Bann, zumal auch die Senta der Frau Iracema-Brügelmann hervorragend war. (...)

Tagwacht, 29.9.1910

Kgl. Hoftheater: Othello von Verdi

(...) Die Aufführung war brillant in der Besetzung der Hauptrollen. Bolz, prächtig bei Stimme... (...) Neu war Frau Iracema-Brügelmann als Desdemona. Ihr Äußeres, wobei diesmal wieder der Gang etwas störte, entspricht trotz der schönen Erscheinung an sich nicht ganz dem Bilde der süßen Dulderin. Aber gesungen hat diese hochzuschätzende Künstlerin wieder vorzüglich, die Schönheit und Reinheit der Stimme konnte selbst eine kleine Indisposition, die sich vereinzelt in der mittleren Lage bemerkbar machte, nicht beeinträchtigen.

 

Tageblatt, 29.9.1910

Stuttgarter K. Hoftheater: Othello von Verdi

Verdis nervige, dramatische, sprühende Oper steht hier in besonderer Gunst. Mit Recht. Wir haben in Oskar Bolz einen Othello, der in der glutvollen gesanglichen Darstellung das Beste seines reichen stimmlichen Könnens geben kann ... (...) Wir haben aber auch in den Vertretern der anderen Hauptpartien, zu denen diesmal Hedy Iracema-Brügelmann als Desdemona neu hinzutrat, Künstler, die über die erforderliche Gesang- und Darstellungskunst zur stilgemäßen und höchst eindrucksvollen Wiedergabe des Werkes in vollem Maße verfügen. Die reine, zarte Liebe und die unschuldvolle Ahnungslosigkeit der Desdemona dem furchtbaren Schicksal gegenüber, das ihr droht, ihr Erschrecken und Bangen, als es sich enthüllt, das stellte Hedy Iracema-Brügelmann mit ergreifendem Ausdruck in Gesang und Spiel dar.

 

Zeitung unbekannt, 1.10.1910

K. Hoftheater: Othello von Verdi

Die erfüllte Sehnsucht nach einer italienischen Oper, die sich einem nach den Marterqualen einer "Izeyl" aufdringt, hat balsamisch gewirkt. Wie viel sprühende Lebenskraft, wilde, aber natürliche Leidenschaft, welche Wahrheit der Charaktere - seien sie recht oder schlecht - steckt in dieser Shakespearschen Textanlage, und welche Musik, deren unsere Modernen alle nicht mehr fähig sind, nämlich dieses göttlichen Zaubers einer einfach schönen Melodie! Und die Darstellung mit unseren bedeutendsten Kräften gab der Oper den Stempel des Vollendeten. Neubesetzt war die Rolle der Desdemona durch Iracema-Brügelmann. Die Auffassung der Rolle, an die sie mit Ernst und einer ihr von Natur zukommenden besonderen Akkomodationsfähigkeit herangetreten ist, ihr ganzes seelisches Erfassen dieser kindlich-naiven, treuergebenen, liebevollen Gattin, ahnungslos den todbringenden Schicksalsmächten und rettungslos preisgegeben, mit einer rührenden Resignation in Stimme und Ausdruck, war ein Beweis von künstlerischer, stilistischer Reife. (Lob auch für die anderen.) Solche Aufführungen bleiben der Stolz des Hoftheaters. Der Dank des Publikums war ein anhaltender und voll Ausdruck der Dankbarkeit.

 

Beobachter, 20.10.1910

K. Hoftheater. Elektra. (...) Sofie Cordes, die Trägerin der Titelrolle, ... Gesanglich war sie den ungewöhnlichen Anforderungen ihrer Rolle in jeder Beziehung gewachsen. Nicht minder vorzüglich war Frau Iracema Brügelmann in der Rolle der Chrysotemis - der einzigen von den Hauptpersonen übrigens, die einige menschlich ansprechende Züge trägt. Frau Brügelmann ist für diese Rolle durch ihre herrliche Stimme und ihr edles Spiel ganz besonders befähigt.  (...) Das Publikum dankte den Künstlern mit enthusiastischem Beifall und rief die Hauptdarsteller immer wieder vor die Rampe. G.

 

Mercur, 16.11.1910

K. Hoftheater. Die gestrige Vorstellung von Mozarts "Hochzeit des Figaro" hatte durch verschiedene Neubesetzung gegen ihre letzte Vorgängerin vielfach ein ziemlich verändertes Gepräge erhalten. So sang Frau Brügelmann zum erstenmal die Partie der Gräfin und erzielte damit einen tiefen Eindruck. Es ist schade, daß diese Künstlerin so spät erst den Weg zur Bühne gefunden hat, denn ganz vollkommen heimisch wird sie auf ihr wohl nie werden; ganz entschieden aber können wir in ihr eine der heute so seltenen Vertreterinnen des Mozartstils begrüßen, über deren Erscheinen auf der Bühne man sich nur freuen kann. Trotzdem Frau Brügelmann sich als indisponiert hatte melden lassen, kam bei ihr auch keine einzige Note zu kurz, sodaß über der ganzen Leistung das so wohltuend berührende Ebenmaß schöner Ausgeglichenheit lagerte. (...)

 

Württemb. Ztg, 6.3.1911

K. Hoftheater. Die gestrige Aufführung der "Götterdämmerung" war geeignet, die Bedeutung unserer Oper im hellsten Licht zu zeigen. (...) Trifft es sich nun bei einem solch gewaltigen Drama, wie der Schlußdichtung des Nibelungenrings, daß jeder Darsteller, hingerissen von der Größe des Werks, sich aus der Alltagsstimmung emporheben läßt, so erlebt der Besucher einen wirklichen Festtag. Das kann man von der gestrigen Vorstellung sagen. (...) Hedy Iracema-Brügelmann kann der Vorwurf allzu undeutlicher Aussprache nicht ganz erspart werden, daß sie aber zu unseren geistvollsten Künstlerinnen gehört, bewies wieder ihre liebreizende Gutrune. (...)

 

Rheinische Musik- und Theaterzeitung, Nr. 13, XII. Jahrgang, 1.4.1911
Im letzten Wiesbadener Sinfoniekonzert des Kgl. Theaterorchester wurde die Stuttgarter Kammersängerin Hedy Iracema-Brügelmann Gegenstand besonderer Ovationen; in Mendelssohns Loreley-Finale wie in Beethovens Neunter feierte ihre vollendete Gesangskunst beim Publikum einen großen Triumph, den ihr die gesamte Presse in überschwänglicher Weise bestätigte.

 

Beobachter, 22.5.1911

K. Hoftheater. "Der Ring der Nibelungen". Erster und zweiter Tag. (...) Fr. Brügelmann als Sieglinde arbeitet sich immer fleißiger in die Rolle des Dramatischen ein, die ihr von Natur aus nicht zukommt. (...)

 

Tagwacht, 4.9.1911

Hoftheater. In der gestrigen Tannhäuser-Aufführung (...). Die vollkommenste Leistung bot Frau Iracema-Brügelmann als Elisabeth. Ihr Gesang war reiner Genuß. (...)

 

Staatsanzeiger, 2.10.1911

(K. Hoftheater)  (...) Rossini's Oper Tell ist nach 7jähriger Pause neu hervorgeholt. (...) Recht gut in Gesang und Darstellung waren die Frauen, Johanna Schönberger als Tells Gattin und Frau Brügelmann als Mathilde; letztere insbesondere zeigte sich den großen Anforderungen der französischen Opernarie wohl gewachsen und verstand es, mit gehaltvollem Vortrag über die Breite und Dürftigkeit derselben wegzuhelfen. (...)

 

Württ. Zeitung, 2.10.1911

A.E. Kgl. Hoftheater. Tell von Rossini. (...) Neben ihm (dem Sänger des Tell) nenne ich zuerst Hedy Iracema-Brügelmann. Ihre Mathilde war so wenig puppenhafte Theaterprinzessin, als dies schlechterdings möglich ist, sie rettete somit diese Rolle, bei der so viele Sängerinnen, und nicht die schlechtesten, versagen. (...)

 

Tagwacht, 6.11.1911

Hoftheater. Nach 19jähriger Pause ist gestern Karl Maria v. Webers Euryanthe wieder aufgeführt worden. (...) Was sind das für Motive und für Menschen! Eine Frau tötet sich aus Gram über den Verlust des Gatten und legt als Geist (!) ihrem Bruder Adolar und dessen Brau Euryanthe unverbrüchliches Stillschweigen auf. Das ist barer Unsinn. Und der Herr Adolar läßt sich zur Wette verleiten, ob seine Braut treu ist. Entweder ist das ein Feigling, der sich selber nichts zutraut, oder ein ganz unmoralischer Mensch. Besser gesagt, beides. Der eifersüchtige Lysiart prahlt dann mit seinem (lügenhaften) Erfolge bei Euryanthe vor der ganzen Ritterschaft. Anstatt daß aber der König und die Ritter ihn wegen solcher Gemeinheit in Acht und Bann erklären, wird er noch extra belohnt. Das ist eine schöne Gesellschaft! (...)

Die Aufführung unter Schilling's Leitung war ausgezeichnet. der Geist des Musikdramatiker Weber trat voll in die Erscheinung. Frau Iracema-Brügelmann (Euryanthe) und Frau Sophie Cordes (sie bot als Eglantine eine dramatische Glanzleistung, deren stimmliche wie Ausdruckskraft gleich imponierten) zeigten aufs neue, daß die weiblichen Hauptrollen an unserer Oper mit ersten Kräften besetzt sind. (...)

 

Staatsanzeiger, 29.11.1911

(K. Hoftheater) Der Rosenkavalier, Komödie für Musik in drei Aufzügen von Hugo v. Hofmannsthal, Musik von Richard Strauß. (...) Unter den Darstellern der Hauptrollen steht Frau Brügelmann als Feldmarschallin weit voran. Mit großer Innigkeit zeichnete sie, stets die vornehme Dame von Welt, den Übergang der Frauenliebe zur mütterlichen Fürsorge in weichem, ausdrucksvollem Gesang außerordentlich fein und reizend. (...)

 

Neckar-Echo Heilbronn, 2.12.1911

"Der Rosenkavalier"

Stuttgart, 29. Nov. 1911

(...) (Lobende Erwähnung der Darstellerin des Rosenkavaliers). In gleicher Vollendung gab Frau Iracema-Brügelmann die Marschallin, die in Erscheinung, Spiel und Wohllaut der Stimme von verführerischem Liebreiz war und die leidenschaftliche Hingabe des verliebten Knaben als in vollem Umfange begründet erscheinen ließ. Von eindringlicher und überzeugender Kraft war ihr Spiel besonders dann, wenn sie die Notwendigkeit der Entsagung vor Augen, wenn sie den Geliebten sich entgleiten und in neuer und natürlicherer Leidenschaft zu einem blutjungen Ding sich entflammen sah. (...)

 

Tagwacht, 11.12.1911

Hoftheater. Am Samstag hat die um diese Zeit an unserem Hoftheater gebräuchliche erste zyklische Aufführung des Nibelungenringes von Richard Wagner begonnen. (...) In der Walküre war Frau Iracema-Brügelmann als Sieglinde hervorragend, es ist erstaunlich, wie diese Sängerin als Bühnenkünstlerin gewachsen ist. (...)

 

Reichspost, 12.12.1911

Stuttgart, 11. Dez.

(...) Über die sonstigen Leistungen in der "Walküre" ist nicht viel Gutes zu sagen. Das Orchester war zwar teilweise sehr schön — besonders in den lyrischen Stellen —, aber das Blech ließ recht viel zu wünschen übrig. Bei der "Todesverkündigung" kam es zu direkt störenden Unreinheiten. Das sollte doch vermieden werden. Frau Brügelmann war der Sieglinde nicht gewachsen; die Sieglinde soll einen besonders in der Mittellage ausgiebigen und strahlenden Mezzosopran besitzen; Frau Brügelmanns Stimme entwickelt sich aber nur in der Höhenlage. (...)

A.R.

 

Merkur, 21.9.1912

Königliche Hoftheater in Stuttgart. 

Großes Haus: Puccini "Tosca"

Stuttgart 21. Sept.

(...) Was dem Musikdrama trotzdem zu einem Erfolg bei der Erstaufführung verhalf, das ist vor allem die ausgezeichnete Leistung der Frau Hedy Brügelmann als Tosca. Man kannte sie kaum in dem schwarzen Haar, in dem temperamentvollen Spiel, in der starken Leidenschaft, in der ihre Stimme zu kraftvollem Klang sich entfaltete. Voll Schwung und Feuer waren auch die gemeinsamen Szenen mit Cavaradossi, den Karl Erb mit schöner Stimme, in der Schmerzensszene des 2. Aktes mit eindrucksvollem Spiele gab. (...) Die Hauptdarsteller, vor allem Frau Hedy Brügelmann, konnten sich am Schlusse wiederholt zeigen. (...)

 

Tagblatt, 21.9.1912
Tosca

Floria Tosca, die berühmte römische Sängerin, das in ihrer Liebe so starke und so echt menschlich schwache Weib, die Heldin im Kampf um den Geliebten und um ihre Ehre, ist in erschütternder Größe und künstlerischer Darstellung bei uns erschienen. Ich meine die Tosca von Hedy Iracema-Brügelmann — nicht die reichlich schauerromantisch zusammengebraute Oper "Tosca" von Sardou, Illica und Giacosa, aus deren stark theatralisch klaffenden Wunden in den Folter- und Mordszenen eine oft recht blaßsüchtige Musik Puccinis strömt. Die Tosca von Hedy Iracema-Brügelmann allein versöhnt uns mit der dramatischen, textlich so blutrot übermalten und musikalisch so durchsichtig gebliebenen Schwäche des Werkes. Die Tosca von Hedy Iracema-Brügelmann allein macht die Aufführung des Werkes hier zu einer Hörens- und Sehenswürdigkeit ersten Ranges, deren starken künstlerischen Eindruck sich kein Opern- und Theaterfreund entgehen lassen sollte und der auch alle sonst berechtigten Bedenken gegen die Art des Werkes in diesem Falle zurückdrängen muß. Hedy Iracema-Brügelmann und Karl Erb als Cavaradossi entfachten die unter einer dicken Schicht von fein und grob berechneter Theatermache glimmenden Funken echten Gefühls zu hell leuchtenden und wärmenden Flammen. Sonniges Liebesglück, glühender Trotz und brennende Angst klang aus ihrem Gesang und spiegelte sich in jeder ihrer Gebärden. Die beiden Künstler haben diesen Gestalten erst die Seele gegeben, die in Text- und Tondichtung kaum vernehmlich werden. So kann die darstellende Kunst doch manchmal höher stehen als die schaffende. (...) Alle Ausführenden haben tüchtige künstlerische Arbeit geleistet. Das Beste, das der Aufführung starke Zugkraft geben wird, war aber Frau Hedy Iracemas "Tosca" und ihr galt auch, neben Karl Erb, der größte Teil des lebhaften Beifalls.

S.

 

Rheinische Musik- und Theaterzeitung, Nr. 38/39, XIII. Jahrgang, 28.9.1912
Die neue Stuttgarter Kgl. Kammersängerin Hedy Iracema Brügelmann hat jüngst die Tosca kreiert, und zwar in einer Weise, daß das Stuttgarter neue Tagblatt folgendes schrieb: Die Tosca von Hedy Iracema Brügelmann allein versöhnt uns mit der dramatischen, textlich so blutrot übermalten und musikalisch so durchsichtig gebliebenen Schwäche des Werkes. Die Tosca von Hedy Iracema Brügelmann allein macht die Aufführung des Werkes hier zu einer Hörens- und Sehenswürdigkeit ersten Ranges, deren starken künstlerischen Eindruck sich kein Opern- und Theaterfreund entgehen lassen sollte und der auch alle sonst berechtigten Bedenken gegen die Art des Werkes in diesem Falle zurückdrängen muß.

 

Merkur, 28.9.1912

Königliche Hoftheater in Stuttgart.

Strauß-Festwoche. II.

Ariadne auf Naxos

R.J.H. Bei der dritten Aufführung (Sonntag), die wieder ganz das Gepräge eines internationalen Festabends hatte, waren zwei der ersten Kräfte unserer Hofbühne berufen, in den Hauptrollen der Oper ihre schöne Kunst in den Dienst des Strauß'schen Werks zu stellen. Hedy Brügelmann sang und spielte gestern abend die Ariadne, Karl Erb den Bacchus. Es waren glänzende Leistungen, die den Beweis erbrachten, daß wir auch die Uraufführung mit eigenen Kräften hätten bestreiten können. Hedy Brügelmann brachte für die Ariadne den ganzen weichen und vollen Wohllaut ihrer schönen Stimme mit, und sie wußte mit ihr den Stimmungen trostlosen Liebesleides, wie in großer Steigerung den Wonneschauern eines neu aufgehenden Lebens großartigen Ausdruck zu verleihen. Sie verstand es, in den Stimmungsausdruck ihrer Ariadne noch mehr Herztöne hineinzubringen. Man könnte vielleicht sagen, und damit würde wohl auch ihre Nüancierung des Spiels bezeichnet werden können: War die Ariadne des Wiener Gastes mehr klassizistisch, so trug die Gestalt, wie sie Hedy Brügelmann bot, einen romantischen Zug. Und auch das hat seine volle innere Berechtigung, da doch auch eine gewisse Verwandtschaft zwischen Mythologie und Romantik besteht. Lassen wir ihre große Leistung als Ganzes nachhallen in unserem Gemüte, so müssen wir sagen: sie hätte auch die Uraufführung zu Ehren gebracht. Wir hätten ihr die Ehre, die Ariadne zu kreieren, herzlich gegönnt. Es wird ihr selbst und vielen der Zuhörer eine Genugtuung gewesen sein, wie der Meister selbst, Rich. Strauß, der diesmal wieder selbst dirigierte, unter dem Beifall, den er wieder für sein Werk fand, Hedy Brügelmann und Karl Erb an der Hand führte, ein Zeichen, daß auch er seine Gestalten, wie er sie schuf, in dieser Wiedergabe wieder erkannte. (...)

 

Rheinische Musik- und Theaterzeitung, Nr. 44, XIII. Jahrgang Nr.44, 2.11.1912
Nachklänge der Stuttgarter Strauß-Premiere
(...) Das Ideal wird eben sinnliche Schönheit verbunden mit seelischer Ausdruckskraft sein, und gerade ein so feinnerviger Künstler wie Strauß muß an diesem Ideal festhalten. Daher begreift man es, daß nicht nur er, sondern mit ihm die gesamte Stuttgarter Presse und Künstlerschaft, welche Gelegenheit hatte, die verschiedenen Besetzungen zu vergleichen, die Darstellung der Ariadne durch Frau Iracema Brügelmann unendlich viel höher einschätzte, als die der früheren Operettensängerin Fräulein Jeritza - Wien, welche Reinhardt entdeckt und der Festspielleitung aufoktroyiert hatte. (...)

Das kleine Stuttgarter Haus, welches ich bei dieser Gelegenheit zum ersten Male sah, ist wirklich entzückend geraten. (...) Immerhin sah ich im großen Hause noch Aufführungen der "Feuersnot" und "Salome", die ebenso wie der "Rosenkavalier" ganz mit einheimischen Kräften besetzt werden konnten, während für die "Elektra" verschiedene Münchener Gäste hinzugezogen wurden. Die Partie der Chrysothemis führt übrigens auch hier die kgl. Stuttgarter Kammersängerin Iracema Brügelmann durch, die dortige Ariadne, Diemut und Marschallin bei der Straußwoche, eine Künstlerin, welche wir von ihrem früheren Auftreten in den rheinischen Konzertsälen in sehr guter Erinnerung haben, und welche erfreulicherweise auch auf der Bühne bei aller Verinnerlichung des Spiels nicht verlernt hat, schön zu singen. (...)

 

Tagblatt, 1.9.1913
Saisonbeginn im Hoftheater.
Oper.
Südwind! Mit vollen Segeln hat die Hofoper die Reise über das große Meer der Opernsaison wieder angetreten. Glückliche Fahrt! Der Wind, der künstlerisch belebend in dieser ersten Aufführung des "Fliegenden Holländers" im Großen Hause wehte, wird uns gewiß in die Heimat der großen Musikdramatiker führen, wie der Südwind den alten Daland an den heimischen Strand und den Holländer zur Erlösung. "Ach lieber Südwind, blas noch mehr", auch wenn die neu gewonnenen Kräfte der Oper nächstens ihre Anker lichten!
Die bewährtesten Stützen unseres Opernensemble segeln voraus. Hedy Iracema-Brügelmann als Senta, Hermann Weil als Holländer, Reinhold Fritz als Daland und Georg Meader als Steuermann hielten fest und sicher den alten Kurs zu stark ergreifender Wirkung und warmer, lebensvoller Darstellung des poetischen und musikalischen Gehaltes des tief dunkelfarbigen Tongedichtes.

 

Reichspost, 1.9.1913
Der fliegende Holländer.
Stuttgart, 1. September
Mit einer ausgezeichneten Aufführung des "Fliegenden Holländers" wurde am Sonntag abend die neue Spielzeit im großen Hause begonnen. (...) Die Solisten standen sämtlich auf der Höhe. Der Holländer des Herrn Weil (...). Frau Iracema Brügelmann stellte eine prächtige Senta auf die Bühne, eine Senta, die zu überzeugen vermochte. (...)

 

Tagwacht, 23.2.1914
Hoftheater.
Verdis Aïda ist gestern nach langer, sehr langer Pause wieder gegeben worden. (anlässlich Verdis 100. Geburtstag) (...) Die Aufführung unter Band war sehr gut. (...) Solistisch hatte unsere Hofoper einen ihrer glänzenden Tage. Einer sang immer schöner als die andere. Lily Hoffmann-Onegin (...) Hedy Iracema-Brügelmann (Aïda) übertrifft meine Erwartungen von ihr als dramatischer Sängerin. Sie wuchs mächtig empor. Ihr Partner Ritter (...). Der Erfolg übertraf am Schluß alles, was seit längerer Zeit an unserer Oper erlebt wurde.

 

Staatsanzeiger, 23.2.1914
(...) An die Mitwirkenden stellt Verdi große Anforderungen; vor allem an die Vertreterin der Titelrolle, die in allen 4 Akten im Mittelpunkt der Handlung steht. Frau Brügelmann löste die ebenso bedeutsame als dankbare Aufgabe in schönster Weise; sie gab die Aïda bald mit einem Hauch von Schwermut, dem sie mit weicher Stimme innigen Ausdruck zu geben vermochte, so in den tiefempfundenen Schlußgesängen im 1. und 4. Akt, bald mit der Kraft unwiderstehlichen Liebesfeuers im Kampf mit der Rivalin. Frau Hoffmann-Onegin verkörperte ebenfalls eindrucksvoll in Gesang und Spiel die Nebenbuhlerin Amneris mit ihrem herrischen Verlangen, dem Ausbruch von Leidenschaft und Eifersucht und dem düstern Schmerz im 4. Akt. Es wird nicht leicht zwei Vertreterinnen dieser Rollen nebeneinander geben, die so unmittelbar zu hinreißender Leistung sich vereinigen. (...)

 

Tagblatt, 29.3.1915
"Parsifal".

Es ist ein geradezu imposantes Zeichen von Reichtum der künstlerischen Mittel und Schaffenskraft und Schaffensfreude, daß unsere Hoftheaterleitung zwei Tage nach der ersten diesjährigen Parsifal-Aufführung mit einer zweiten, in den sämtlichen Hauptpartien neu besetzten hervortreten kann. Und zwar mit einer durchaus würdigen und auf bedeutender Wirkungshöhe stehenden. (...) Die Übernahme der Kundry-Partie durch Hedy Iracema-Brügelmann muß, bei aller Bewunderung und Hochschätzung für das, was die Künstlerin an anderer Stelle und auch in der Lösung dieser Aufgabe geleistet hat, als ein nicht ganz unbedenkliches Experiment bezeichnet werden. Es ist damit eine Überschreitung der stimmlichen Grenzen versucht worden, die dem kostbaren Stimmaterial gefährlich werden kann, und die auch nach der Seite der in dieser Partie so wichtigen und ausschlaggebenden Tiefe nicht so gelingen konnte, wie es der Charakter der Partie verlangt. Was da die Stimme nicht erzwingen konnte, ist auch nicht durch die feinste und stärkste Durchbildung der mimischen Darstellung, wie sie die Künstlerin bot, zu ersetzen. (...)

 

Tagblatt, 27.9.1915

Mona Lisa.

Oper in zwei Akten. Dichtung von Beatrice Dovsky. Musik von Max Schillings. Uraufführung am 26. September 1915.

Etwas schwül Dramatisches, aber auch geradlinig Theaterhaftes hat Beatrice Dovsky, die Wiener Dichterin, aus dem Lächeln von Lionardos Mona Lisa herausgelesen und zu einer Tragödie zu gestalten unternommen. Dieses bestrickende, süß-grausame, rätselhafte Lächeln — wer vermöchte es ganz zu deuten. (...)

Die großen musikalischen Werte, der Glanz und die Farbigkeit des musikdramatischen Ausdrucks, und die äußere Vortäuschung nicht vorhandener innerer dramatischer Größe und Tiefe sind in der Uraufführung am Stuttgarter Hoftheater in aller nur denkbaren Wirksamkeit zur Geltung gebracht worden. Dazu hat der Tondichter selbst als musikalischer Leiter mit anfeuernder Direktionskunst, und der Leiter der Bühnenvorgänge, Emil Gerhäuser, mit sicherem Blick für das Bühnenwirksame in feinster Abstimmung der Darstellungsmittel, von Szenenbild, Stimmungslicht und Farbe und Bewegung in der Einzeldarstellung und im Zusammenspiel mit der Stimmungsfarbe und der Linienführung der Musik verholfen. (...)

In den beiden Hauptgestalten, der Mona Lisa und dem Francesco hat die Textverfasserin zwei Virtuosenrollen geschaffen, die geradezu auf spezialistische Gastspielausbeutung hinweisen. Und wenn unternehmende Bühnenkünstler die wirksamsten Muster für eine solche vielleicht sehr einträgliche Betätigung haben wollen, dann müssen sie Hedy Iracema Brügelmann als Mona Lisa und John Forsell als Francesco sehen und hören. Die Mona Lisa erscheint dieser ersten Darstellerin geradezu auf die ganze Gestalt, auf das Gesicht und in die Stimme geschrieben zu sein. Das Bild Lionardos lebte wenigstens äußerlich in erstaunlicher Übereinstimmung mit dem Original auf. Und auch der Ausdruck des Gesanges verschmilzt mit dem des Bildes zu eigenartig rätselvoller Einheit; wenigstens bis zu dem Moment, da die Deutung des Rätsellächelns durch die Textverfasserin zu grausig rasender Leidenschaft führt. Die steht dem künstlerischen Naturell der Darstellerin ferner als geheimnisvolle, innerlich glühende Ruhe. (...)

Das große, glänzende Publikum, das sich zu dem Ereignis versammelt hatte, nahm das Werk mit brausendem Beifall auf. (Beifallssturm nach jedem Akt - Text des Artikels schlecht zu lesen) Das Stuttgarter Hoftheater hat wieder ein Ereignis gehabt, das die Augen der ganzen Bühnen- und musikalischen Welt auf sich lenkte.

Oskar Schröter.

 

Zeitung unbekannt, September 1915

Mona Lisa

(...) Die heuchlerische Madonna Lisa wird von Hedy Iracema-Brügelmann mit großer Kunst gespielt. Es wird viel von dieser Rolle verlangt, die Anforderungen an eine hochdramatische Stimme müssen ebenso erfüllt werden wie die Fähigkeit getragenen Gesanges vorhanden sein muß. Ob in ersterer Hinsicht nicht noch mehr aus der Musik in der Schlußszene vor dem Epilog herausgeholt werden kann? Wir glauben, ja. Die Krallen der Sphynx dürften noch tiefer hacken. Nur wo ein Zug von Größe durch die Darstellung geht, können wir das Verbrechen mit weniger Abscheu betrachten. Für den lyrischen Schwung und das schöne Pathos der offenbar mit besonderer Liebe vom Komponisten bedachten Partie ist Frau Brügelmann die gegebene Künstlerin. (...)

Alexander Eisenmann

 

Zeitung unbekannt, September 1915
Mona Lisa

Ein unergründlich Rätsel ist das Weib...

(...) In der Hand des Komponisten selbst lag die sichere, überall anfeuernde Leitung, unter welcher Orchester und Sänger ihr Bestes gaben zum Gelingen des abwechslungsreichen Tonwerks. (...) Den beiden Hauptgestalten der Oper, Mona Lisa und Francesco, war durch Frau Brügelmann und John Forsell eine ganz hervorragende Darstellung gesichert. Beide Rollen, karg gezeichnet wie sie sind, bedürfen reichlich der Ausfüllung durch die Darstellung. Stummes Mienenspiel und hochdramatische Leidenschaft gelangen Frau Brügelmann in gleicher Weise, fast noch besser als der Wechsel lyrischer Töne und wilden Schmerzensausbruchs im Gesang. Das Rätsel auf den Lippen im vielbesagenden Lächeln, die Hoheit im ganzen Benehmen, das gelöste wallende Haar standen ihr trefflich und näherten ihre Erscheinung nach Möglichkeit dem berühmten Bilde an. Als in wildem Wahnsinn es zu Ende ging, da war man auch für diesen Höhepunkt der erregtesten Gefühle ganz im Bann ihrer Darstellung wie ihres Gesangs.

 

Hamburger Fremdenblatt, 26.9.1915

Schillings "Mona Lisa".

(Uraufführung in Stuttgart.)

W. Stuttgart, 25. September. (Drahtbericht unseres Vertreters.)

Mitten im Kriege, wenige Tage nach dem tückischen Fliegerangriff, empfängt Stuttgart zahlreiche Gäste von nah und fern zum friedlichen Taufakt eines neuen Kunstwerkes. Schon der heutigen Hauptprobe zur morgigen Uraufführung von Schillings "Mona Lisa" wohnten eine Reihe hervorragender Komponisten, Kapellmeister, Bühnenleiter und Musikschriftsteller bei. Einige hundert Personen, darunter auch viele Damen, hatten im Parkett Platz genommen. Im ersten Rang thronte ganz allein Richard Strauß hinter einem Notenpult mit der Partitur. Die Probe, die bereits das Gepräge einer geschlossenen Aufführung trug, währte nahezu drei Stunden.

Das nette Werk wurde von dem geladenen Publikum nicht mit Begeisterung, aber mit Hochachtung und Interesse aufgenommen. (...) Die Wiedergabe zeugte von sorgsamster Vorbereitung. Eine Meisterleistung, darstellerisch wie gesanglich, ist Forsells Francesco. Weniger befriedigte Frau Brügelmann in der weiblichen Hauptrolle. Schillings wurde am Schlusse wiederholt hervorgerufen.

 

Hamburger Nachrichten, 28.9.1915

Max Schillings' "Mona Lisa".

(Von unserem Sonderberichterstatter.)

Stuttgart, den 27. September.

Die Uraufführung dieses neuesten Werkes des Komponisten am Stuttgarter Hoftheater ist zu einem künstlerischen Ereignis geworden, das die Aufmerksamkeit weiter musikalischer Kreise auf sich gelenkt hat. Das Werk war bereits für November 1914 zur Aufführung vorgesehen, mußte aber infolge des Kriegs verschoben werden. (...)

John Forsell bot in der Titelrolle eine hervorragende schauspielerische und gesangliche Leistung, die den intuitiv nachschaffenden Künstler verriet. In der weiblichen Hauptrolle war Iracema Brügelmann von bestrickender Wirkung, sowohl im Spiel als in dem anstrengenden Gesangsteil. (...) Max v. Schillings dirigierte sein Werk selbst und mußte sich mit den Darstellern ungezählte Male zeigen.

 

Merkur, 3.4.1916

Richard Strauß am Hoftheater zu Stuttgart.  IV.

Elektra.

O.K. (= Oswald Kühn?)

Die Elektra, womit die "Strauß-Woche" am Sonntag schloß (...). Nur eine in allem vollendete Aufführung vermag demgemäß aber gerade diesem furchtbaren Drama gerecht zu werden. (...) Leider störte das fast immer zu laute, lärmende Orchester den Gesang: man verstand kaum ein Wort, bei ihr (= Elektra: Frau Mottl-Faßbender) wie bei den übrigen Darstellern. (... Darstellung der Klytämnestra) Glaubhaft dagegen war die Erscheinung der Chrysothemis. Frau Iracema-Brügelmann verkörperte die kraftstrotzende Fülle dieses jungen Weibes mit seinen natürlichen Instinkten und entfaltete stimmlich besonderen Glanz; sie ist in die Rolle sichtlich hineingewachsen. Das alles wird nicht von heute auf morgen erreicht, und auch eine Elektra erfordert eine Entwicklungszeit für die Darsteller, wie sie sich den Zuhörern erst allmählich erschließt.

 

Württ. Zeitg., 3.4.1916
Die Strauß-Woche im Hoftheater.  IV.
Elektra.

Mit dem blutigen Opfergeschehnis in der düsteren Burg zu Mykene schloß die Strauß-Woche. (...) Frau Hedy Brügelmann (Chrysothemis) zeigte wieder, daß sie eine Zierde unserer Bühne ist (...).

Alexander Eisenmann

Süddeutsche Ztg, 4.4.1916

Richard Strauß-Woche.  IV.

Am Anfange der Strauß-Woche stand "Salome", die Tragödie einer möglichen Abart der Liebe; den Abschluß bildete "Elektra", die Tragödie einer denkbaren Form des Hasses. (...) So ist dies Werk das aufregendste aller geworden, die er geschrieben hat. (... Elektra: Furie; Klytämnestra: von den Furien der Angst gepeitschte Königin ...) Nicht eigentlich als Gegenspielerin, aber doch, um in die rasende Brandung furchtbarster Drohungen und gräßlichster Rache- und Angstgefühle einiges an menschlich faßbarerem Gefühle zu werfen, hat Chrysothemis zu gelten, das Weib, das nicht wie die sozusagen geschlechtslose Elektra in den Strudel der Ereignisse hinein gezogen wird, weil sie eben Weib ist und das Weiberschicksal will. (Da von Perversität oder auch nur von sinnlicher Brunst reden zu wollen, ist töricht: weder der Dichter noch Strauß zeichnen sie nach der Richtung hin.) Frau Iracema-Brügelmann war in der Rolle hervorragend gut und bot eine gesangliche Darbietung, die sich nicht leicht wird übertreffen lassen. (...)

Die Strauß-Woche ist zu Ende. Die Stuttgarter Hofbühne hat ihrer Pflicht gegenüber einem der ersten Führer der modernen Musik in einer Weise genügt, die ihr zu höchster Ehre gereicht. Das Verkennen zu wollen könnte nur Böswilligkeit oder Torheit unternehmen. (...)

Der Schützengraben, 30.6.1916

Die Künstler-Abende im Neuen Bapaumer Theater

Der dritte Tag der Gastspiele des Stuttgarter Hoftheaters

Den Abschluss der Gastspiele des Stuttgarter Hoftheaters bildeten die am Pfingstsonntag angesetzten Konzerte. Schon die einfache Voranzeige "Lieder-Abend" mit zwei verschiedenen Programmen machte uns auf aeusserste gespannt. Als wir nun erst die Namen der Künstler lasen, wussten wir, dass uns wirklich ein grosser Kunstgenuss bevorstand. Sollte es wirklich ein Festkonzert grossen Stils werden? - Es war zu erwarten. (...)

Nach Herrn Ritter trat Frau Iracema-Brügelmann auf, deren Namen wir ja alle laengst kannten. Heute durften wir ihre Stimme hoeren. Unvergesslich wird mir der Augenblick sein, wo ihr hoher, herrlicher Sopran im weiten Saale aufklang. Bald lag der ganze Saal im Banne eines echten Soprans, der von seltener Schoenheit und Fülle ist. Sie begann mit der "Hallenarie" aus "Tannhaeuser", die sie gross und praechtig aufbaute in voller Echtheit des dramatischen Ausdrucks. Aber nicht nur die dramatische Sangeskunst und Gewalt versteht die Künstlerin zu beherrschen, auch als Liedersaengerin war sie von vollendetem und liebenswürdigem Geschmack. In Schuberts "Ich hoert ein Baechlein rauschen" klang ihre Stimme quellfrisch und duftig. Ein jeder Ton "sitzt" bei ihr! Und doch welche Innigkeit, als sie uns Schuberts "Du bist wie eine Blume" und die "Widmung" sang. Welcher Reichtum an dynamischen Schattierungen! Das Entzücken über solche meisterlichen Leistungen war allgemein. Der dankbare Beifall, den die gütige Saengerin mit freundlicher Zugabe belohnte, wollte kein Ende nehmen. - Nun kam noch eine Ueberraschung! Herr Fritz, der prachtvolle Bassist, der im Festprogramm nicht vorgesehen war, steuerte zur Vollendung des Ganzen zwei Lieder bei. (...) Dann schlugen noch einmal die Wogen hoechster Begeisterung empor, als sich nun alle Künstler in den "Zigeunerliedern" von Brahms zum selten gehoerten Quartett vereinigten. Echtes leidenschaftstrunkenes Zigeunerempfinden stroemt aus der so unendlich kraftvollen Musik hervor. Und doch, - mit welcher innerlichen Zurückhaltung wiederum wurde das "Taeusch mich nicht, verlass mich nicht" gesungen! Das Auf- und Niedersteigen in den Stimmen, die Einheit der technischen Impulse, das wilde Draufgehen rissen zu groesstem Staunen hin. (...) Es war ein grosser Tag gewesen, unter den Einweihungstagen des neuen Theaters künstlerisch weitaus der groesste, ein Festtag echter Kunst, ein musikalisches Pfingsten!

 

Staatsanzeiger, 5.7.1917 (Abschiedsvorstellung in Stuttgart)
K. Hoftheater.
Am Sonntag verabschiedete sich Frau Hedy Iracema Brügelmann von der Stätte ihrer künstlerischen Betätigung in beinahe 9 Jahren, in der Rolle der "Aïda" in Verdis durch ihre Mitwirkung hier besonders hochgeschätzten Oper.

 

Es war ein Abschied, bedeutsam für die Zusammensetzung des Kunstkörpers, in welchem die Sängerin durch ihre künstlerische Tüchtigkeit und durch ihre persönlichen Vorzüge eine hervorragende Stellung einnahm und einen gewissen geistigen Mittelpunkt bildete, und nicht weniger vielbesagend für die Freunde der Hofoper, denen deren Glanz und künstlerische Vollwertigkeit durch den Namen der hier zur gereiften Größe emporgestiegenen Sängerin in besonderen Maß verbürgt sein konnte.

Das Haus war lange vor Beginn der Aufführung ausverkauft. In der Wahl, welche die Sängerin mit der Rolle der leidgeprüften, vornehm empfindenden Äthiopierin für ihr letztes Auftreten getroffen, lieferte sie nochmals den Beweis ihres edlen Bemühens um die echte Kunst der verinnerlichten Ausgestaltung, des einheitlichen Schaffens scharf umrissener kraftvoller Persönlichkeiten; und die Erinnerung an die oft bewunderte Vornehmheit ihres Empfindens, an die sichere Fähigkeit, das innere Werden der dargestellten in der dramatischen Färbung des Tons und in der Mimik überzeugend zum Ausdruck zu bringen, wurde nochmals neu eingeprägt im Gedächtnis der Verehrer ihrer Kunst.

Die Vorliebe für das lyrische Getragene, wie sie die Sängerin von dem Auftreten im Konzertsaal auf die Bühne mitbrachte und während ihres ganzen Hierseins sich bewahrte, war in Szenen wie dem Gebet und der Begegnung mit Radames nochmals als ein wertvoller Zug zu bewundern. Tüchtige gesangliche Ausrüstung und seine Vergeistigung im Spiel verbinden sich stets in ihren Vorträgen. Und wenn es der Gesangskunst noch in den Mozart- und Wagnergestalten leicht wird, der beseelten Tonsprache der großen Klassiker sich anzupassen, war es an Frau Brügelmann ein besonderer Vorzug, daß sie auch bei Verdi's Weisen, selbst wo sie in Äußerlichkeiten sich verflachen, durch lebensvolle Wärme Beseelung zu geben versteht.

In dieser Gabe des verinnerlichenden Anfassens aller Aufgaben lag die besondere Eigenart der scheidenden Künstlerin, welche sie zur Mitwirkung für die vieldeutigen Frauengestalten von Rich. Strauß, der Ariadne und der Marschallin im Rosenkavalier, oder von Schillings Mona Lisa nicht weniger tüchtig machte, wie für eine leichte Bewältigung einfacher Gestalten in neuen Opern, bei denen Stuttgarts Bühne in der Scheidenden eine stets willige und geschickte Vertreterin neu zu prägender Gestalten bei Uraufführungen besaß.

Die reiche gesangliche Begabung, der weiche Klang der Stimme, die im Getragenen leicht anspricht und an dramatischen Stellen zu leidenschaftlicher Kraft sich zu erheben vermag, die sichere Vereinigung in der Beherrschung des Schauspielerischen und des Musikalischen haben neben dem genannten Hauptstück ihrer Art Frau Brügelmann auf die Höhe künstlerischer Abgeschlossenheit geführt, die den Weggang der Sängerin als einen Verlust empfinden läßt. Der letzte Abend gab ihr in stürmischen Beifallskundgebungen nach jedem Akte den Erweis, wie hoch ihre Kunst hier geschätzt war. Blumenspenden, die den Bühnenraum zum Rosengarten umwandelten, und ein begeistertes Abschiednehmen am Schluß des Abends dankte ihr für die Genüsse, welche ihre Kunst uns so oft bereitete.