Briefe von Hedy Brügelmann an Hermann von Waltershausen, 1920-1932 (Stadtbibliothek München, Nachlass Waltershausen)

Hermann von Waltershausen
Hermann von Waltershausen

Hedy Brügelmann an Hermann von Waltershausen, Karlsruhe, 3.1.1920

Heute früh erhielt ich Deinen Brief. Ich danke Dir. Was ich tun muss, muss ich wohl schon selber wissen. Die Sachen liegen doch etwas anders, als ich nach der ersten Unterredung urteilte. Merkwürdig — ich war immer die Handelnde in den Tagen. Ich stand innerlich und äusserlich über der Situation. Ich veranlasste die zweite Aussprache (mit ihrem Mann, RB), die mir Klarheit brachte. Er selbst ist unentschieden. Entschieden insofern, dass er von mir kein Opfer will. Ich kann ihm immer wieder betonen, dass ich kein Opfer bringe, — er glaubt es einfach nicht!! Dass ich die Jahre nicht allein war, ahnte er nicht. Ich musste es ihm sagen, ich erzählte ihm von meiner Wiener Freundschaft, — er kennt ihn — da atmete er ordentlich erfreut auf, dass ich also nicht verlassen war. Ich sprach ihm von Dir, dass Du Dich meiner angenommen hättest hier, wir uns gut verstünden; er meinte, nun Du in München seist, stünde ich doch wieder alleine hier! Ich verstehe meinen Mann nicht.

Zum Schluss bat er mich, meinen definitiven Entschluss erst in 3-6 Monaten zu fassen, — vielleicht hätte ich dann jemand gefunden, und meine Zukunft stände dann hoffentlich freundlicher vor mir. Dann könnte er beruhigter an ein neues Glück denken. 
Ich habe also den Auftrag, mir einen Mann zu suchen. Weiss mein Man, was er mir damit tut?

Ich hatte die Fäden alle in der Hand, und wollte sie nicht halten. Schau, ihm als Frau angehören, das kann ich nicht. Habe ich da das Recht, an mich resp. an meine Zukunft zu denken? Ich sage: nein. Anderseits glaube ich nicht an die Heirat mit der Anderen. Die hält ihn hin. Sie (Herta Freiin Grote, zweite Frau von Theo Brügelmann, RB) schrieb ihm täglich während meines Dortseins, sie wolle für einige Jahre weg von der Gegend, um seine Ehe nicht zu stören etc. Den Mut, ihn 3 Tage ganz sich selbst zu überlassen, hatte sie nicht. Ich bat ihn beim Weggehen, sie am Sonntag zu besuchen, sie hätte genug durchgemacht und bedürfe seiner. — Einmal machte ich ihm den Vorschlag, alles so zu lassen, wie es jetzt ist. Den Verkehr mit ihr solle er weiter pflegen. Das könne er nicht, und glaube er nicht, dass sie das wünsche.

Aber seit einem Jahr zusammen sein und noch das nächste halbe Jahr, bis ich mich entschieden habe, das compromittiert nicht. Herrgott, — entweder ich habe den Mut zu einer solchen Freundschaft, oder ich habe den Mut dem Mann zu sagen, entweder die oder ich. Nun sind wir alle 3 rührend edelmütig und drehen uns im Kreise.

Dabei ist mein Mann der Beste von uns. Nur kann ich mir keine Ehe mit ihm denken. Ich bin ja so ganz anders als er und so viel jünger. Ich spreche nicht von meinem Alter, aber vor 4 Jahren liess ich blind das Leben an mir vorbeiziehen. Du müsstest Bilder von uns sehen, die vor 6-10 Jahren gemacht sind. —

Ich quäle Dich nicht mehr — hoffentlich —, aber Du solltest doch wissen, dass mein erster Eindruck kein ganz richtiger war. Er schwankt innerlich sehr zwischen den beiden Frauen — und fühlt sich ganz im Inneren ganz wohl dabei. Ich brauche nur zu wollen und habe ihn. Aber ich kann nicht wollen!

Nun ein wenig zu Dir. Es ist schon lieb von Dir, dass Du mir sagst, ich müsste wissen, was ich Dir bin. Sieh, ich war nie eingebildet und jetzt weniger als je. Ich kam zu Dir als Mensch ohne inneren Halt, schwankend nach manchen Seiten. Da muss ich von Dir schon mal ein liebes Wort lesen. Was kann ich Dir so sein? Und wenn mich ein Misstrauen überkam, hielt ich Deine "Selbstdisziplin" für Gleichgültigkeit.

Ich brauche Dich sehr — mehr vielleicht als je ein Mensch Dich nötig hatte. Und von Dir habe ich das Empfinden, dass Du mich nicht brauchst. Es liegt vielleicht daran, dass die Anderen, die mir begegneten, viel expansiver waren.

Wenn Du Zeit und Lust hast, schreibe mir. Ich bin nach Deinem Brief heut viel ruhiger. —

Ganz behaglich ist es jetzt in meinem Zimmer. Ich schreibe Dir schon von meinem neuen Schreibtischplatz am Fenster. Gestern abend kam ich zurück, und heut mittag steht mein Klavier schon da. Frau Petzl (?) muss bis Ende Januar warten. Die Vorstellung in Pforzheim war nicht, so konnte ich bis gestern nachmittag zuhause sein. Als guten Freund habe ich meinen Mann gern, er verwöhnte mich recht. Du tust das nun garnicht, und Dich habe ich lieb.

Hoffentlich höre ich bald wegen des Münchener Concerts. Die Karlsruher Dame will am 6. Febr. mit mir in Stuttg. concertieren, doch hat München in allem das Vorrecht. — Viel viel Liebes.

Ich suche eben nach einer Unterschrift — mein Name sagt Dir nichts, und die du mir bis jetzt gabst, kann ich nicht nehmen.

Jetzt gehe ich zu Cortolezis, um mit ihm die ....  (?) durchzunehmen.

 

Herta Freiin Grote, Freifrau von Brusselle, und Theo Brügelmann, ca. 1922 (Staatsarchiv Ludwigsburg)
Herta Freiin Grote, Freifrau von Brusselle, und Theo Brügelmann, ca. 1922 (Staatsarchiv Ludwigsburg)

Hedy Brügelmann an Hermann von Waltershausen, Karlsruhe, Januar 1920

Mittwoch.

Sehr geehrter Herr von Waltershausen,

da kommen die Rilkebücher. Wenn Sie nichts darin finden, tauschen Sie sie bitte bald gegen irgend etwas anderes um. Die Buchhandlung ist in der Kaiserstrasse. Man geht vom Hotel aus bis zum Marktplatz auf der Hotelseite, und gerade gegenüber in der Kaiserstrasse ist die Buchhandlung. In Erklärungen bin ich nicht gross, verzeihen Sie!

Freundlichen Gruss!

Hedy Iracema-Brügelmann

 

Hedy Brügelmann an Hermann von Waltershausen, Karlsruhe, 8.1.1920

Lang brauchte Dein Brief vom 5., der erst heute in meine Hände kam. Ich freue mich, dass Dir die 2 Rilkebücher zusagen. Und schön wäre es für mich, wenn Du wirklich etwas componierbares fändest, ich hab den Rilke gern. Liegt Dir Dehmel nicht? Ich blätterte gerade gestern in seinen "Zwei Menschen", er hat doch sicher gute Gedichte.

Auf das Concert freue ich mich, umsomehr, als ich genügend Zeit für uns nehmen haben kann.

Fräulein Schweikert gibt ihren Compositionsabend mit mir und einem Bariton am 11. Febr. Sie frug mich, ob mir der 3. Febr. recht wäre, ich wollte aber doch unseren Abend zuerst haben. Das genaue Programm kann ich noch nicht schicken. Auf jeden Fall bleibt es bei Mahler, Waltershausen und Wolf. Ich hoffe, Sonntag oder Montag Dir das genaue Programm schicken zu können.

— An Deine Art gewöhne ich mich langsam, leicht ist es für mich nicht. Vergiss nicht dass ich eigentlich bis heute Liebe nicht nötig hatte — auch ich nicht! Ich nahm sie, weil sie da war.

Vielleicht finde ich mich wieder, gebe Dir aber gerne zu, dass es so wie es jetzt ist, es das Richtige ist. Bist Du zufrieden mit mir?

Letzten Sonnabend redete Cortolezis über Dich: Er weiss ja nicht, wie ich zu Dir stehe. Es tat mir als Frau weh, von Dir so zu hören, ich fand mich aber damit ab, daraus ersiehst Du wie ich an Dir hänge und immer mehr mich bemühe, Dich so zu nehmen, wie Du bist. —

 — Vom "Brasilianer" kam eine grosse Sendung: Butter, Speck, Wurst, Kaffee, Thee, Chocolade und Seife! —

 Ich will am 2. oder 3. Febr. in München sein. Ist das nicht zu lange, d.h. wirst Du die Tage einige Abendstunden für mich haben? —

Am Montag war ich nachmittags bei Deiner Mutter. Du warst das Gespräch, — das uns Beiden wohltat! Dass wir kameradschaftlich sehr gut miteinander stehen, weiss sie ja- Was sagst Du dazu, dass Walter Deine Mutter fragte, ob er mich nicht mal besuchen könnte? Ich liess ihm sagen, er möge mich mal zum spazierengehen abholen.

 — Von meinem Mann habe ich täglich Nachricht. Deine Ansicht ist aber auch die meine. Er schrieb mir vorgestern: "Ich hoffe auf die Stunde, da Du mir sagst: Nun habe ich überwunden, ich fand ein Herz, das ganz mein ist, eine Seele, die mir Licht u. Freude gibt. Dann erst finde ich Ruhe!"

 Empfinde nur ich den Egoismus, der aus all dem spricht? Ist es Schwäche? Er braucht ja garnicht für sein Glück zu kämpfen, ich habe ihn doch freigegeben. Mein Leben zimmere ich mir schon zurecht.

 Lieber, für heut genug. Hätte ich Dich mal wieder um mich! —

 

Hedy Brügelmann an Hermann von Waltershausen, Karlsruhe, 8.1.1920

Ich habe nun doch Zeit gehabt, das Programm zu machen. Mit Absicht nahm ich in der Wolf-Möricke-Gruppe 2 bekanntere Lieder, auch bei Mahler. Wo die schönen Trompeten blasen, —  vielleicht zieht das das Publikum etwas an. Du weißt, wie die Leute das Neue meiden! Die 3 Mahlerlieder sind ja auch ziemlich unbekannt, — aber interessant ist das Programm. Wer hat das Arrangement des Concertes übernommen? Lass den Abend bald anvisieren, damit wir Frl. Schweikert zuvorkommen. Vielleicht bald auch das Programm bei den Annoncen gleich bekanntgeben. Der Concertarrangeur wird es wohl wissen, wie man es macht. Hast Du mit der Presse Verbindung, dass kurz vorher eine nette Notiz darin steht? — Mir geht es nicht gut: Sonntag Aïda, gestern Tiefland, Freitag Ariadne, Samstag in Pforzheim Figaro — und Cortolezis lässt keine Absage gelten. Ich bin erkältet — kein Wunder bei den kalten Räumen im Theater! Und bei all dem empfinde ich schon heute die Verantwortung für den Münchener Abend. Ich weiss nicht, ob man bei der Vornotiz auch die Textdichter mitnennt. Ich schrieb es im Programm hin, — wie Du Deine Liedergruppe hinsetzest, weiss ich nicht. Ich denke so: H. W. v. W. Sieben Gedichte von Ricarda Huch, oder wie ich es auch im Programm anführte. Ich überlasse Dir gern diese Sorge!

Die Texte schicke ich Dir, sobald mein Mann mir mein Stuttgarter Programm schickt. Deine Texte lässt Du wohl von Deiner Sekretärin schreiben! Gute Nacht, es ist spät. –

 

Hedy Brügelmann an Hermann von Waltershausen, Karlsruhe, ohne Datum, aber wahrscheinlich Frühjahr 1920

Sonntag 

Frl. Schweikert sagte mir vorgestern, dass das Bureau, welches ihr Concert organisiert, sehr unwissend nach mir fragte. Vielleicht managt ein anderes Concertbureau mein concert. Darf ich Dich bitten, Dich umzusehen, ob Programm, Reclame, Verkauf (wenn und falls der einsetzt) richtig gehandhabt wird. Verzeih, dass ich Dich damit auch noch quäle, aber es ist nicht nur für mich, auch etwas für deine Lieder.-

Hier gar nichts Neues. Georg Schumann erwartet mich mit Freuden für die Charwoche (vermutlich Karwoche?), Urlaub ziemlich gesichert. -

Viel liebe warme Grüße

 

Hedy Brügelmann an Hermann von Waltershausen, Karlsruhe, 14.1.1920

Lieber, nach meinem dummen Kranksein tat mir Dein Brief doppelt wohl. Drei bis vier Tage lag ich zu Bett, viel zu lang für meine dummen Gedanken. Über Dich mach ich mir keine, ich weiss, wie Du bist. Vielleicht über Dein Verhältnis zu mir.

Cortolezis hat übrigens garnichts so Schlimmes gesagt, — er streifte aber in seiner mir unangenehmen Art das Erotische (?) bei Dir. Ich glaube gar nicht, dass er Dir was am Zeug flicken will. Er spricht sehr gut von Dir, doch eine grosse Menschenkenntnis besitze ich nicht. Ich lebe zu sehr mir, meiner Kunst und dem Menschen, den ich gerne habe.

 Und ein verzogenes Kind bin ich! O Du, darüber rede ich mal mit Dir. Ich wehre mich halt gegen Dich. Dass "sich Dir Anpassen" ist gar nicht so eine Kleinigkeit. Ich muss mich — meine Art aufgeben — das ist nicht ganz leicht.

Ich habe den guten Willen dazu, weil ich die Liebe für Dich habe, mach Du es mir auch etwas leicht. Du kannst es!

Gestern sang ich die Siegfried Brünnhilde. Es ging gut, — aber ein sträflicher Leichtsinn wars. Ich fieberte noch und war und bin noch recht elend. — Mit Redacteur Mayer hatte ich ein lustiges Telefongespräch, ich musste mit ihm reden wegen eines Concertes des Culturverbandes.

Ich soll ihn besuchen im Ministerium. Nächstes mal gucke ich mal rein.

— Von Wien für mich recht traurige Briefe. Er ahnt was, — was wüsste der nicht, was mich angeht. — Ich möchte ihm helfen, weiss aber nicht wie. Am allerliebsten schickte ich ihn zu Dir, — doch der lässt sich nicht schicken. — Also ich hab vor, am 3. nachts anzukommen in München. Am 31. Jan. hoffe ich nach Stuttgart fahren zu können. Hoffentlich halte ich es aus es lang dort. Er schreibt sehr besorgt wegen meines Krankseins, bittet mich sehr, ihm alles zu sagen. Er käme sofort, da der Gedanke, mich allein zu wissen etc. — Ich denke ich wohne wieder im Leinfelderhof, das liegt nicht so weit von Dir: vom Lenbachplatz aus es ... (?). Am 4. rufe ich dich an, Du sagst mir wohl noch, wann Du zu sprechen bist. Muss ich nicht selbst an Zilcher schreiben? Und wenn, wie ist seine Adresse?

Schreib mir bald und behalt mich lieb. H.

 

Hedy Brügelmann an Hermann von Waltershausen, Karlsruhe, 23.1.1920

Gestern schrieb ich Dir ja ausführlicher. Heut kam Dein Brief, ich möchte die Duplicate der Lieder für Zilcher schicken. Mit der gleichen Post gehen als eingeschriebene Drucksache die Wolflieder: Italienisches Liederbuch. Andere besitze ich nicht. Braucht sie Zilcher unbedingt, kauf sie bitte in Gottesnamen. Wir verrechnen hernach. Gewöhnlich sehen die Herren Begleiter die Sachen vorher nicht an. Man stürzt sich in Unkosten — und bei der ersten Probe dann stellt es sich heraus, dass der Begleiter keine Zeit hatte, oder es nicht der Mühe wert fand, sich die Lieder anzusehen.

Für heut noch viel liebe herzliche Grüsse.

 

Telegramm aus Karlsruhe 29.1.1920, 2Uhr30

Bayer. Telegraphenanstalt München

an Waltershausen, Elisabethstr.7

text um mitternacht im gesandten stuttgarter programm

grusz brugelmann

 

Hedy Brügelmann an Hermann von Waltershausen, Karlsruhe, 29.1.1920

Ich depeschierte Dir eben, dass der Text von "Um Mitternacht" in dem Stuttgarter Programm mit drin steht. Ich habe zur Vorsicht Dir eben den Text wieder herausgeholt und schicke ihn mit. Bilder habe ich auch geschickt. Etwas spät werden die Programme gedruckt, da heute schon der 29. ist. Doch, Du musst es wissen.

Hier nichts Neues. Vorgestern Ariadne, — gut. Publikumserfolg klein! —

Ich weiss nicht, ob täglich Schnellzüge verkehren. Wenn nicht, muss ich Montag schon nach München. Ich käme lieber am Dienstag. Ich telefoniere Dich am anderen Morgen gleich an. Zilcher hat wohl Zeit mit mir zu probieren?

Alsdann auf Wiedersehen!

Ich danke Dir auch für Deine Worte, die ich gestern erhielt. Du scheinst enorm viel zu tun zu haben, zum Ausruhen wirst Du wohl nicht viel Zeit haben.

Fräulein Schweikert kommt schon am 5., sie wird im selben Hotel wohnen! Zur Not habe ich also Gesellschaft!

Viel liebe Grüsse.

 

Hedy Brügelmann an Hermann von Waltershausen, Karlsruhe, 4.3.1920

Vor einigen Tagen fand ich Deinen Brief hier vor, als ich von Stuttgart kam. Du steckst ja wirklich in einem Wirbel von Arbeit. Aber Dich, wie Herr Nölte, einen Narren zu nennen, tu ich nicht. Schliesslich tust du das alles, weil Du eine gewisse Befriedigung dabei empfindest. Die Zeit wird schon wieder kommen, in der Du wieder mit Lust componieren wirst. Du hast viel und viel Schönes geschrieben — ich glaube, diese Pause tut Dir nur gut. Und wenn du wirklich componieren musst, dann wirfst du die jetzige Arbeit schon fort. —

Ich sehe Deinen Vater und Walter manchmal. Deine Mutter ist leider nicht hier, ich vermisse sie sehr. Arbeit habe ich genug, mehr als ich vielleicht bis Juni leisten kann. Ich sprach mit Cortolezis wegen Richardis (Oper von Waltershausen, RB), er hat bestimmt vor, sie zu bringen. "Rauhensteiner Hochzeit" (Oper von Waltershausen, RB) kommt nicht, weil Schwerdt bis jetzt beurlaubt war und die Petzl(?)-Denner es noch ist.

Gestern war ich den ganzen Tag mit Schillings zusammen, der hier ein Concert mit eigenen Werken dirigierte. Das Haus war nicht sehr voll! Nun muss der arme Nölte mit der Aufführung seiner Gesang....(?) bis Mitte April warten. Zwei moderne Concerte in einem Monat ist zuviel für die Karlsruher.

 Hoffentlich findest du bei Deiner Arbeit Zeit, hinauswandern zu können bei dem herrlichen Wetter. Du hast ja Freunde draussen wohnen, die Du über Sonntag besuchen kannst. Du brauchst frische Luft und andere Menschen um Dich als Deine Schüler.

Viele herzliche Grüsse!

 

Hedy Brügelmann an Hermann von Waltershausen, Karlsruhe, 19.3.1920

Lieber Freund, hab herzlichen Dank für Deine 3 Bücher; ich schrieb nicht eher, weil ich wenigstens eines lesen wollte. Mit sehr grossem Interesse las ich die Studie über die Zauberflöte, vom ersten Wort ab war ich ganz in Deinem Bann. Du bist schon ein fabelhafter Mensch — und ich begreife immer mehr Deine Art. Du brauchst keinen Menschen, d.h. du hast wirklich keine Zeit dazu. Wenn ich sehe, wie meine Zeit ausgefüllt ist, und wie wenig leiste ich im Vergleich zu Dir. —

Hier gibt es nichts Neues. Ich sehe Deinen Vater öfter, wir Beide verstehen uns ganz gut. Auch Walter hat oft mittags im Rheingold mit mir gegessen.

Mit Frau von Hütz (?) musiziere ich tüchtig, sie ist ein ganz famoser Kerl. Das Schönste an ihr ist ihre grosse Begeisterung für die Kunst. Sie leistet viel, ich habe Respekt bekommen vor ihr. Neben ihrem Klavier ist sie eine sehr liebe treue Mutter. Ich weiss es ja aus eigener Erfahrung, wie schwer es ist, beides zu vereinigen, tat ich es auch bis zu meiner Übersiedlung nach Wien. —

So, nun will ich mit Herrn von Besele (?) arbeiten: Brahms u. Schubertlieder. Schwer ist es, hier Jemand zu bekommen, mit dem man richtig arbeiten kann, — und ich bin von Wien her noch so verwöhnt.

Viel liebe herzliche Grüsse!

 

Hedy Brügelmann an Hermann von Waltershausen, Karlsruhe, 31.5.1920

Lieber Herr von Waltershausen,

wohl zu allerletzt kommen meine Glückwünsche zu Ihnen, aber sie sind vielleicht herzlicher als die der Anderen! Ich hoffte immer noch, Ihnen mündlich gratulieren zu können, da Sie aber Ihre Reise hierher noch immer weiter verschieben, muss ich es Ihnen doch schriftlich sagen, wie ich mich über Ihre Ernennung gefreut habe. (1920 wurde Waltershausen zum Professor und stellvertretenden Direktor der Münchner Akademie der Tonkunst ernannt, RB) . 
"François Villon" hatte bei der Uraufführung einen ehrlichen und echten Erfolg, Sie werden das Werk ja bald selbst hören.

Ihre "Richardis" ist nun doch nicht mehr in dieser Saison — und nicht durch meine Schuld. Ich halte es auch für besser, wenn eine Oper ziemlich zu Beginn der Saison herauskommt, die Möglichkeiten der Wiederholung sind grösser.

Mit Geheimrat Bartning (?) sprach ich auch sehr über "Oberst Chabert". Da Sie ihn nicht umarbeiten, wäre es doch sehr schön, wenn wir den Chabert auch hier bald wieder hätten.

Von Ihren Eltern habe ich leider wenig. Sie wissen, wie ich Ihre Frau Mutter verehre, ich habe aber sehr viel Arbeit, auch viel Reisen. Seit dem 10. Mai bin ich geschieden.

Ich hoffe, Sie kommen bald, die "Rauhensteiner Hochzeit" ist auf den 11. und 18. Juni gesetzt. Auf sie und auf Sie freue ich mich!

Mit den herzlichsten Grüssen

Ihre H. Iracema-Brügelmann

 

Hedy Brügelmann an Hermann von Waltershausen, Wildbad, Haus Josenhans, 13.7.1932

Lieber Herr von Waltershausen,

lange hörten Sie nichts von mir und dann komme ich mit einer Bitte. Zum Glück nicht für mich! Der auch Ihnen sehr bekannte frühere Kritiker des Bad. Beobachters, Herr H. L. Mayer bat mich Ihnen zu schreiben, dass sie ihm beim Verlag der Köln. Volkszeitung einige anerkennende Worte für ihn einsetzen. Vielleicht erinnern Sie sich, dass Herr H. L. M. (so signierte er) Ihnen u. auch mir sehr gewogen war. Vielleicht haben Sie soviel Zeit da zu helfen! Herr H. L. Mayer ist verheiratet und hat 3 kleine Kinder. Ich lege eine Abschrift des Herrn Franz Philipp bei, der mehr über Herrn H. L. M. zu schreiben weiss, als ich es vermag! —

Hoffentlich geht es Ihnen Beiden u. der kleinen Leonore gut. Ich habe jetzt wieder öffentlich gesungen und stehe in Unterhandlung mit Herrn Philipp, der mich als Gesangslehrerin an der Karlsruher Musikhochschule haben will.`

Hermann (Sohn von Hedy, RB) geht es sehr gut, er ist in Dresden als Leiter der Studienstiftung des Deutschen Volkes. Zwei Kinder hat er auch, und ich fühle mich sehr wohl als Grossmutter. Sehr stolz bin ich aber, dass das älteste Enkelkind — 2 3/4 Jahre — zu mir unaufgefordert "Müttchen" sagt! —

Wie geht es Ihren Eltern?

Nun mache ich Ihrer lieben Frau sicher wieder Arbeit, da sie sicher für Sie antworten wird. Aber diesmal gilts einem guten u. anständigen Menschen zu helfen — und weiss ich, dass Sie da nach Möglichkeit helfen werden!

Ihnen und Ihrer lieben Frau herzliche Grüsse von

Ihrer H. Iracema-Brügelmann