Briefe von Hedy Iracema-Brügelmann an Anna von Mildenburg, 1919-1922 (KHM-Museumsverband, Theatermuseum Wien)

Hedy Brügelmann an Anna von Mildenburg, Wien, 14.1.1919, Hamburgerstrasse 2/I

Sehr verehrte gnädige Frau,

ich komme mit einer sehr großen Bitte zu Ihnen: haben Sie, verehrte Frau, Zeit und Lust mit mir die Walküren-Brünnhilde durchzunehmen? Ich habe die Rolle für mich musikalisch studiert. Wenn ich nun das Glück haben könnte, mit Ihnen arbeiten zu dürfen, würde mich das entschädigen für die leere Zeit, die ich am Hofoperntheater durchmachen mußte. Noch immer sehe und höre ich Ihre Isolde und Ihren Fidelio, und als ich im Herbst hörte, daß Sie unterrichten wollten, war ich glücklich.
Ich hoffe, Sie sind nun von der Grippe ganz hergestellt. Ob Sie bald Zeit für mich haben werden? Ich möchte so gerne bald anfangen! Am 14. Februar muß ich auf 14 Tage nach Deutschland. Darf ich Sie bitten, gnädige Frau, von meinem hochdramatischen Studium, den(?) ich - so hoffe ich von Herzen - anderweitig verwerten(?) will, nichts zu erwähnen.
Ich bin mit den besten Grüßen
Ihre sehr ergebene
H. Iracema-Brügelmann

 

Hedy Brügelmann an Anna von Mildenburg, Wien, undatiert

Samstag

Sehr verehrte gnädige Frau,

gestern sprach ich mit Schalk, der mir dann von selbst sein Zimmer anbot! Also darf ich Sie dann bitten, oben auf mich zu warten! Der 1. Akt ist um 5.10 aus. Wollen Sie die Güte haben, der Überbringerin dieser Zeilen den Schleier u. die Krone zu geben.

Heißen Dank für Alles!

In tiefer Verehrung

Ihre ergebene

H. Iracema-Brügelmann

 

Hedy Brügelmann an Anna von Mildenburg, Wien, 16.6.1919

bis 24. Juni Hamburgerstr.2/I, dann Stgt Fischerstr.4

Meine liebe, verehrte gnädige Frau,

Saisonschluß! Da muß ich Ihnen noch einmal von Herzen danken für all das Schöne und Große, was Sie mir gaben! Welch ein Jammer, daß wir Sie nicht immer haben können, und ein noch größerer Jammer, daß wir Sie nicht öfter selbst auf der Bühne sehen dürfen. Ich hoffe noch sehr, im nächsten Spieljahr Sie als Isolde, Brünnhilde, Ortrud zu sehen. -

Ich war noch sehr fleißig, habe viel gesungen und fühle mich immer wohler auf der Bühne. Meine zweite Kundry war viel freier; es ist so herrlich über der Situation zu stehen, dann kann man sich wirklich von der Musik tragen lassen! Trotz alledem schrieb Reitler über mich, ich müsse mich nun von Ihnen befreien u. nicht "Mildenburgisch" sondern "Brügelmannsch" sein! Als ob es

nicht besser sei — vorläufig wenigstens — Ihnen — vielleicht meinerseits nicht

immer richtig — nachzueifern, — als schlecht "Brügelmannsch" zu sein.

Überhaupt, — der "Strebend sich Bemühende" hats in Wien nicht leicht! —

Ich bleibe noch einige Tage hier, bis ich die "Isolde", musikalisch wenigstens fertig habe. Leider kann ich nicht im Aug. nach Salzburg, wie ich so gerne möchte. In erster Linie meines Mannes wegen, der die paar Wochen wenigstens mich in der Nähe haben will.

Ich sprach Director Schalk, der einverstanden ist mit meinem Studium der Isolde. Er frug gleich, ob ich weiter mit Ihnen arbeiten wolle. Er war sehr nett, sagte mir, ich sei ihm unentbehrlich! Na - ob mir das genügt auf die Dauer, weiß ich noch nicht! Ich spiele nicht gerne 2. Geige. Ich habe nun die große Hoffnung, daß Sie nicht gar zu spät zu uns nach Wien kommen! Vielleicht komme ich auf der Rückreise in Salzburg auf einige Stunden bei Ihnen vorbei. Darf ich? -

Mit vielen herzlichen Grüßen und wärmster Verehrung

Ihre H. I. Brügelmann

 

Hedy Brügelmann an Anna von Mildenburg, Karlsruhe, 11.12.1919, Hotel Germania

Meine sehr liebe verehrte gnädige Frau,

ich hoffe, Sie zürnen mir nicht, dass Sie so garnichts von mir hören. Ich litt im Anfang so stark unter der neuen Umgebung, dass ich zu nichts fähig war. Noch weiss ich nicht, ob ich richtig gehandelt habe, herzukommen. Noch bin ich nicht im richtigen Fahrwasser, zu tun werde ich genug bekommen, — aber das beginnt jetzt erst!

Nach der überreichen Arbeit der letzten Wiener Wochen, deren so schöner Abschluss die für mich so wertvollen Tage bei Ihnen waren — Karlsruhe!! Und ein fremdes Karlsruhe, ich hatte K. und Stgt. in so schöner Erinnerung. Aber schliesslich sieht es überall so aus wie hier. Und vielleicht ist es doch das Beste, die nächste Zeit so durchzubringen, wie ich es tue. —

Gesungen habe ich bis jetzt Senta und die Gräfin. Die Woche kommen noch Tiefland und Aïda und die beiden Weihnachtsfeiertage Kundry. Für mich das schönste Weihnachtsgeschenk, die Kundry in Ihrem Sinne zu gestalten, so weit ich es vermag.

Den "Fidelio" habe ich mir jetzt ganz zu eigen gemacht, damit habe ich mich viel beschäftigt. —

Zum Glück ist jetzt zur Zeit Hermann von Waltershausen hier, der froh ist jemand zu haben, mit dem er reden kann. Er gibt mir viel Anregung. Sonst sitze ich noch im furchtbaren Hotel Germania! Wenn ich könnte, wie ich wollte, käme ich auf 8-10 Tage nach Salzburg zu Ihnen. Ob Sie wirklich mal nach München kommen? Die Isolde muss ich mit Ihnen durcharbeiten, aber leider werde ich sie das erste Mal ohne Ihre Anleitung singen müssen, Anfang Februar oder Ende Januar schon.

Ein lieber kurzer Gruss von Ihnen würde mich in "meiner Verbannung" sehr freuen! Bitte grüssen Sie die liebe Tafelrunde, besonders Fräulein Cowo (?).

In alter Anhänglichkeit und Verehrung

Ihre ergebene

Hedy Iracema-Brügelmann

Haben Sie Ihre Pelzweste? Mein Sohn ging mit Ihrem Brief in das Geschäft.

 

Hedy Brügelmann an Anna von Mildenburg, Karlsruhe, 17.6.1921, Schlossbezirk 16

Meine sehr verehrte gnädige Frau,

meine Gedanken weilen oft bei Ihnen in grosser Dankbarkeit und Verehrung. Das letzte Jahr war für mich in jeder Beziehung ein Kampf, daher konnte ich nicht schreiben. Ich habe hier am Theater mit Energie nun das erreicht, was ich erstrebte; ich fühle mich nun wohl hier, wohler als in Wien. Und oft gedenke ich in tiefer Dankbarkeit der schönen Stunden in Wien und Salzburg, in denen wir, Ihre Schülerinnen, ahnen durften, was wahre und tiefe Kunst ist.

Nachdem ich die Isolde und die Walküre ohne Ihre Führung mir erarbeitet habe, wäre ich vor der Riesenaufgabe der Götterdämmerung-Brünnhilde herzlich dankbar, bei Ihnen sie studieren zu können.

Wollen Sie so freundlich sein und mir mitteilen, ob Sie Anfang Juli oder Anfang August für mich Zeit opfern könnten und wollten, und ob das in München möglich wäre. Ich weiss ja nicht, wie die Unterkunftsmöglichkeiten in Salzburg sind.

Darf ich Ihnen noch sagen, dass ich lieber die erste Augusthälfte mit Ihnen arbeiten möchte. Ich brauchte schon im Juli eine Ausspannung nach der sehr anstrengenden Saison (6 neue Rollen!).

In alter herzlicher Verehrung

Ihre ergebene

Hedy Iracema-Brügelmann

 

Hedy Brügelmann an Anna von Mildenburg, Karlsruhe, 29.6.1922, Schlossbezirk 16

Meine liebe verehrte gnädige Frau,

bald geht’s in die Ferien und diesmal leider nicht nach München zu Ihnen. Und Sie werden froh sein, dass Sie bei all Ihrer Arbeit mich Quälgeist nicht noch dazu bekommen. Es geht mir soweit gut, d.h. wie es einem in Karlsruhe gehen kann. Schön wars, dass ich nun endlich die 3 Brünnhilden singen durfte. Alles war sehr begeistert, aber ich weiss am besten, was noch alles fehlt besonders an der Götterdämmerung. In Stuttgart sang ich die Isolde und freute mich wie treu Collegen, Publikum u. Kritiker noch an mir hängen.—

Für das nächste Jahr gibt es hier viel Arbeit. Fiordiligi studiere ich jetzt, und freue mich, wie ich daran arbeiten muss, um mir die Partie rein technisch zu erobern. Dann soll Electra kommen, und ich überlege mir immer 

wieder, ob ich dafür d.h. um mit Ihnen die Rolle zu studieren, nicht nach München reisen kann. Waltershausen will ja seine "Richardis" im Concertsaal aufführen, und ich soll sie singen. Na, bis zum Herbst kann noch Manches geschehen. Ihnen wünsche ich mal zunächst schönste Erholung in diesem Sommer!

Viele herzliche Grüsse von

Ihrer dankbaren und treu ergebenen

Hedy Iracema-Brügelmann