Auszüge aus einem Briefwechsel zwischen Richard Strauss und Franz Schalk

Quelle: "Richard Strauss - Franz Schalk, Ein Briefwechsel", herausgegeben von Günter Brosche, 1983; Veröffentlichungen der Richard-Strauss-Gesellschaft, München, Band 6

Richard Strauss und Franz Schalk
Richard Strauss und Franz Schalk

Im Jahr 1900 wurde Schalk (1863-1931) 1. Kapellmeister der Wiener Hofoper. Von 1904 bis 1921 leitete er die Konzerte der Gesellschaft der Musikfreunde. 1909 bis 1919 war er Lehrer an der Wiener Musikakademie und in den Jahren von 1918 bis 1929 Direktor der Wiener Staatsoper. Von 1919 bis 1924 teilte er sich diesen Posten mit dem Komponisten Richard Strauss - eine Beziehung, die mit großer Begeisterung und Wertschätzung beiderseits begann und mit unüberbrückbaren Gegensätzen, ja man kann sagen, mit unversöhnlichem persönlichem Haß endete.

 

Richard Strauss an Franz Schalk, 2.1.1918

(...) Frankfurter* empfiehlt einen famosen Bariton Engel (Dessau) und will sich bemühen, uns früher von Tittel, Brügelmann, Moest, Dahmen und Heim zu befreien. Ich habe ihn genau über unsere Wünsche informiert, wollensehen, ob er was zu stande bringt. (...)

 

* Frankfurter, Eugen und William:

Zwei Vettern, beide rührige Agenten, oft schwer zu unterscheiden. Vor allem Eugen war einer der wichtigsten Agenten Deutschlands um 1910-1925. Sein Wohnsitz war Nürnberg, wo er sich aber selten aufhielt.

 

Richard Strauss an Franz Schalk, Berlin, 20.10.1918

Lieber Freund und Kollege!

(...) Ich bin hier bereits sehr fleissig gewesen und habe mit dem Agenten Harder schon tüchtig gearbeitet. Er wird versuchen, die Damen Kiurina, Brügelmann, Dahmen, Paalen, Heim sowie den Herrn Rittmann wegzuengagieren. (...)

 

Franz Schalk an Richard Strauss, Wien, 20.10.1918

(...) Die verschiedenen Besprechungen wegen Lösungen der Verträge mit Környey - Moest - Frau Brügelmann, Frl. Heim aber konnte ich mangels

einer offiziellen Legitimation noch nicht beginnen. (...)

 

Franz Schalk an Richard Strauss, Wien, 22.10.1918

(...) Die Abtretung der Frau Kiurina an Berlin war ja nie als Kompensation für Duhan gedacht. Sie los zu werden liegt eigentlich kein Grund vor. (...) Hingegen können wir Frau Brügelmann ohne weiters abgeben; desgl. Pahlen, Dahmen. (...)

 

Richard Strauss an Franz Schalk, Landhaus Richard Strauss, Garmisch, 24.12.1918

(...) Nun die große Hauptsorge: sind alle von der neuen Regierung übernommenen Verträge giltig und bindend oder nicht? Haben Sie darüber schon ein authentisches juristisches Gutachten? Wenn Oestvig und Schipper, desgleichen Frau Jeritza juristisch begründet ihre Verträge als ungültig erklären können, wenn wir also gezwungen sind, mit Frau Jeritza einen neuen Vertrag zu machen (hoffentlich bis 1928) mit jeder beliebigen Gage, nur mindestens 80 mal singen, dann sind doch auch wir berechtigt, alle die uns nicht passen, Brügelmann, Moest, Heim, Tittel, Dahmen, ebenfalls ohne weiteres zu kündigen.

Bitte verfolgen Sie diese Sache sofort in der äußersten Consequenz. Wird der erste Präzedenzfall, z.B. Oestvig (mit Jeritza wollen wir uns möglichst in Güte einigen) gegen uns entschieden, dann hätten auch wir, denke ich, freie Hand und erleichtern unseren Etat um mindestens 100.000 Kronen, die wir dann den uns wertvollen Künstlern zulegen können.

 

Richard Strauss an Franz Schalk, Landhaus Richard Strauss, Garmisch, 27.12.1918

(...) Soeben hat mich Frankfurter angerufen. Er arbeitet bereits daran, Frau Brügelmann wo anders baldigst ein gutes Engagement zu verschaffen, was sie auch verdient - nur eben nicht in Wien. (...)

 

Franz Schalk an Richard Strauss, 29.12.1918

Telegramm von der k. und k. Direktion des k.k. Hof-Operntheaters an Doktor Strauss:

Juristisches Gutachten über bestehende Verträge unmöglich, da autoritative Instanz hiefür nicht vorhanden. Verträge Jeritza, Lehmann, Weidt, Slezak, Piccaver, Kurz nicht in augenblicklicher Gefahr. Nur Oestvig unsicher.

 

Franz Schalk an Richard Strauss, 10.1.1919

(...) Frankfurter ist ein äusserst schlauer, geriebener Geselle - er war das Factotum G.'s und hat als solches recht üble Spuren hinterlassen. Ich bitte Sie ihn mit äusserstem Misstrauen zu behandeln und nur dann zu verwenden, wenn er wie im Falle Oestwig, (Schipper) unentbehrlich ist. (...)

Zweite Färberin noch nicht recht in Sicht, muss sich aber finden, da wir für Dahmen und Brügelmann eine gute, ja sogar excellente jugendlich dramatische engagieren müssen. (...)

Ist einmal eine sichere Berechnung möglich, wer hier herrschen wird, so können ja all' die Schwierigkeiten, die heute unüberwindlich scheinen, verschwinden. (...)

Die allergrösste und wichtigste Hauptsache wird sein, dass wir fest und unzertrennlich zusammenhalten. (...) Es ist hier, (wie übrigens überall) eine giftige Tratschatmosphäre. Man wird nicht aufhören einen Zwiespalt zwischen uns herbei führen zu wollen. (...)

 

Richard Strauss an Franz Schalk, 21.2.1919

(...) In Berlin werde ich mich bemühen, Frau Brügelmann an das Charlottenburger Opernhaus zu bringen. (...)

 

Richard Strauss an Franz Schalk, 26.7.1919

(...) Inzwischen meldet sich Melanie Curt aus Amerika zurück; die s.Z. in Berlin schwer vermißte, ausgezeichnete dramatische Sängerin (...) - die müssten wir sofort engagieren und Frau Brügelmann und Windheuser

entlassen, bevor Frau Curt von Berlin oder Hamburg eingefangen wird. (...) Wir müssen doch die Nieten loswerden können! (...)

 

Franz Schalk an Richard Strauss, 30.7.1919

(...) Nach meiner Meinung könnten wir ein Engagement der Frau Kurt erst ab 20-21 ins Auge fassen, und nur dann, wenn Fr. Brügelmann freiwillig das

Feld räumt. (...)

Während man Frau Kurt (mit vorhergehendem Gastspiel) vielleicht für 20-21 u.s.f. mit 60-75.000 Kr. "festlegen" könnte - immer unter der Voraussetzung, dass Frau Brügelmann geht. (...)

 

Franz Schalk an Richard Strauss, 22.8.1919

(...) Frau Brügelmann habe ich den diskreten Antrag Cordolezzis übermittelt, sie geht nach Karlsruhe nur, wenn sie absolut nichts besseres findet und dann auch nicht für 14.000 Mark. Cordolezzis bereits verständigt. Schenken Sie mir die entsprechende Dosis Mitleid in meiner schweren Bedrängnis und hoffen Sie mit mir, dass bald bessere Gestirne leuchten.(...)

 

RB: Hedy Brügelmann wechselte im Herbst 1919 doch an die Karlsruher Oper